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Sie kamen nach Bagdad

Sie kamen nach Bagdad

Titel: Sie kamen nach Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sonnenuntergang war herrlich, aber keiner von den beiden hatte Augen dafür. Sie hatten wichtigere Dinge zu besprechen.
    »Es begann ganz einfach damit«, sagte Victoria, »dass ein Mann erstochen wurde und im Hotel Tio in mein Zimmer platzte.«
    Es war vielleicht nicht jedermanns Vorstellung von einem »einfachen Anfang«. Edward starrte sie entsetzt an und sagte: » Was wurde?«
    »Erstochen«, wiederholte Victoria. »Ich glaube wenigstens, dass er erstochen wurde, er kann aber auch erschossen worden sein, doch ich glaube es nicht, denn sonst hätte ich den Schuss gehört. Jedenfalls«, fügte sie hinzu, »war er tot.«
    Sie begann ihm etwas verworren die ganze Geschichte zu erzählen. Als sie geendet hatte, blickte Edward sie zweifelnd an und fragte: »Du fühlst dich doch ganz wohl, nicht wahr, Victoria? Ich meine, du hast keinen Sonnenstich gehabt – oder geträumt oder irgend so etwas? Ich will sagen, es kommt einem völlig unglaublich vor, das so etwas geschehen kann.«
    »Es ist aber trotzdem geschehen«, erklärte Victoria gereizt.
    »Und diese ganze theatralische Geschichte von Weltmächten und mysteriösen, verborgenen Anlagen im Inneren von Tibet oder Belutschistan. Ich meine, all das kann nicht wahr sein. Solche Dinge geschehen nicht.«
    »Das sagen die Leute immer, bevor sie dann doch geschehen.«
    »Hand aufs Herz, Charing Cross – saugst du dir das alles nicht aus dem kleinen Finger?«
    » Nein« , schrie Victoria zornig, am Ende ihrer Geduld.
    »Und du bist hergekommen, um nach jemandem namens Lefarge und nach jemandem namens Anna Scheele zu fahnden?«
    »Von der du selbst gehört hast«, warf Victoria ein. »Du hast von ihr gehört, nicht wahr?«
    Edward schwieg einige Augenblicke und sagte dann: »Ich habe den Namen gehört – ja. Ich weiß nicht, ob es etwas zu bedeuten hat. Es ist nur sonderbar …«
    »Weiter, sag es mir.«
    »Siehst du, Victoria, ich bin ganz anders als du. Ich habe nicht deinen scharfen Verstand. Ich fühle nur dunkel, dass da irgendetwas nicht stimmt – aber ich weiß nicht warum.«
    »Ich habe zuweilen auch solche unklaren Gefühle«, sagte Victoria. »Wie zum Beispiel bei Sir Rupert auf dem Balkon des Tio.«
    »Wer ist Sir Rupert?«
    »Sir Rupert Crofton Lee. Wir flogen im gleichen Flugzeug hierher. Sehr hochmütig und aufgeblasen. Eine wichtige Persönlichkeit, weißt du. Und als ich ihn draußen auf dem Balkon im Hotel Tio in der Sonne sitzen sah, hatte ich das gleiche sonderbare Gefühl, dass etwas, irgendetwas nicht stimmt, ohne zu wissen, was.«
    »Rathbone hat ihn aufgefordert, im ›Ölzweig‹ einen Vortrag zu halten, aber ich glaube, es war ihm nicht möglich. Er ist gestern Morgen nach Kairo oder Damaskus oder irgendwohin geflogen«, sagte Edward.
    »Jetzt erzähl mir von Anna Scheele.«
    »Oh, Anna Scheele. Es war eigentlich gar nichts. Nur dass ein Mädchen bei uns von ihr gesprochen hat.«
    »Catherine?«, fragte Victoria sofort.
    »Denk dir, ich glaube, es war tatsächlich Catherine.«
    »Natürlich war es Catherine. Darum willst du mir nichts davon sagen.«
    »Unsinn, das ist lächerlich.«
    »Also, was war es?«
    »Catherine sagte zu einem der anderen Mädchen: Wenn Anna Scheele kommt, kann’s losgehen. Dann kriegen wir die Anweisungen von ihr und nur von ihr.«
    »Das ist schrecklich wichtig, Edward.«
    »Bedenke, dass ich nicht einmal sicher bin, dass das der Name war«, warnte Edward sie. »Bildest du dir das alles auch wirklich nicht bloß ein, Victoria?«
    Edward wand sich ein wenig unter dem Blick, den sie ihm zuwarf.
    »Schön, schön«, lenkte er hastig ein, »aber du musst zugeben, dass die ganze Geschichte sonderbar klingt. Ganz wie ein Schundroman – ein Mann taumelt herein, haucht etwas völlig Sinnloses – und stirbt. Das klingt doch nicht nach Wirklichkeit.«
    »Du hast das Blut nicht gesehen«, rief Victoria und schauderte leicht.
    »Es muss ein furchtbarer Schock für dich gewesen sein«, sagte Edward teilnahmsvoll.
    »Ja«, meinte Victoria, »und dann kommst du und fragst, ob ich mir nicht alles nur ausdenke.«
    »Verzeih, aber du bist doch geschickt im Flunkern. Der Bischof von Llangow und all das.«
    »Oh, das war nur kindlicher Übermut«, sagte Victoria. »Das hier ist ernst, Edward, wirklich ernst.«
    »Dieser Mann, Dakin – heißt er so? –, macht er auf dich den Eindruck, als wüsste er, wovon er spricht?«
    »Ja, es klang sehr überzeugend. Aber sag, Edward, wieso weißt du – «
    Sie wurden durch einen Zuruf vom Balkon

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