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Sie kamen nach Bagdad

Sie kamen nach Bagdad

Titel: Sie kamen nach Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nichts. Wir hätten für eine seelenlose Maschine keine Verwendung. Wir brauchen Jugend und Edelmut. Vereint euch – vereint euch – die jungen Leute aller Welt müssen sich vereinen. Das ist die Hauptsache. Genießen Sie unsere freien Diskussions- und Kameradschaftsabende?«
    »O ja«, sagte Victoria, die sie verabscheute.
    »Eintracht, nicht Zwietracht – Brüderlichkeit, nicht Hass. Langsam, aber sicher geht der Samen auf – das fühlen Sie doch, nicht wahr?«
    Victoria dachte an die endlosen kleinen Eifersüchteleien, die heftigen Antipathien, die ewigen Streitereien, verletzten Gefühle, geforderten Entschuldigungen, und wusste nicht recht, was sie erwidern sollte.
    »Manchmal«, sagte sie vorsichtig, »sind die Menschen schwierig.«
    »Ich weiß – ich weiß …« Dr. Rathbone seufzte. Er runzelte ratlos seine edle, gewölbte Stirn. »Geduld und Glaube«, murmelte er, »Geduld und Glaube.«
    Victoria flüsterte eine pflichtgemäße Zustimmung und wandte sich zum Gehen. Dann erinnerte sie sich, dass sie ihr Manuskript vergessen hatte, und kam zurück. Der Blick, den sie in Dr. Rathbones Augen auffing, erschreckte sie ein wenig. Es war ein scharfer, misstrauischer Blick und sie fragte sich mit Unbehagen, wie genau sie beobachtet wurde.
    Edward sah sie selten, da Dr. Rathbone ihn immer an weit entlegene Orte sandte. Im Augenblick war er aus Persien zurückgekehrt. Während seiner Abwesenheit hatte sie eine kurze, eher unbefriedigende Unterredung mit Dakin gehabt. Victoria hatte ihm ein wenig ängstlich die vollkommene Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen gestanden, aber Dakin hatte sie nachsichtig beruhigt.
    »Mein liebes Kind, Sie wissen nicht einmal, wonach Sie suchen und ob es überhaupt etwas auszuforschen gibt. Was halten Sie im Großen und Ganzen und nach reiflicher Überlegung vom ›Ölzweig‹?«
    »Es ist eine völlig nebulose Geschichte«, sagte Victoria.
    »Nebulos, ja. Aber doch kein Schwindel?«
    »Ich weiß nicht«, murmelte Victoria.
    »Und Rathbone, meint er es ehrlich?«
    »Ich glaube ja …« Victoria klang unschlüssig.
    »Über ihn müssen wir uns den Kopf zerbrechen«, sagte Dakin, »denn er ist ein großes Tier. Ich wüsste gern mehr über Rathbone.«
    Am nächsten Morgen kam Edward mit einigen Manuskriptseiten zu ihr und sagte: »Bitte, Victoria, Dr. Rathbone möchte das sofort getippt haben. Seien Sie bei der zweiten Seite besonders aufmerksam, sie enthält einige sehr schwierige arabische Namen.«
    Victoria spannte seufzend einen Bogen in ihre Maschine und begann in ihrer gewohnten Flottheit draufloszutippen. Sie beglückwünschte sich gerade, weniger Fehler gemacht zu haben als gewöhnlich, als sie beim Ablegen des obersten Bogens zum nächsten kam und sofort begriff, was Edward mit seiner Ermahnung, bei der zweiten Seite besonders aufmerksam zu sein, gemeint hatte. Ein Briefchen in Edwards Handschrift war oben angeheftet:
     
    » Geh am Tigrisufer spazieren, am Beit Melek Ali vorbei. Mo r gen Vormittag gegen elf Uhr.«
     
    Der nächste Tag war ein Freitag, der wöchentliche Feiertag. Victorias Laune stieg sprunghaft. Sie würde ihren grünen Pullover anziehen. Sie sollte sich eigentlich das Haar waschen lassen. Das Haus, wo sie wohnte, war nicht auf Haarewaschen eingerichtet. »Und es ist dringend nötig«, murmelte sie hörbar.
    »Was haben Sie gesagt?« Catherine am Nebentisch hob misstrauisch den Kopf.
    Victoria zerknüllte schnell Edwards Brief in der Hand und sagte leichthin: »Ich muss mir das Haar waschen lassen. Aber die meisten Friseurläden hier sehen so schrecklich schmutzig aus. Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.«
    »Ja, sie sind schmutzig und obendrein teuer. Aber ich kenne ein Mädchen, das sehr gut Haare wäscht und dessen Handtücher sauber sind. Ich werde Sie hinführen.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen, Catherine«, sagte Victoria.
    »Gehen wir morgen. Morgen ist Feiertag.«
    »Morgen nicht«, sagte Victoria.
    »Warum nicht morgen?« Ein kalter, misstrauischer Blick traf sie. Victoria fühlte wieder ihre übliche Gereiztheit und Antipathie gegen Catherine aufsteigen.
    »Ich möchte lieber spazieren gehen – ein wenig frische Luft schöpfen. Man ist hier so eingesperrt.«
    Dann beeilte sie sich, mit ihrer Arbeit fertig zu werden, und brachte das Resultat Dr. Rathbone.
    Während er es überflog, murmelte er: »Schiras ist im Iran, nicht im Irak, und jedenfalls schreibt man Irak nicht mit einem Q … hm … danke, Victoria.«
    Als sie schon im Begriff war, das

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