Sie kannten keine Gnade - Western (German Edition)
Ace Ratcliff grinste. "Was machst du mit deinen sechs Grand, Boß?"
"Ich?" sagte Art Ratcliff. "Ich kauf mir einen respektablen Saloon, mit einem goldenen Spiegel hinterm Tresen und einem schönen großen Spieltisch. Da gibt's dann schottischen Whisky, nicht das selbstgebrannte Zeug, das überall gesoffen wird. Ich bin richtig teuer. Der Bürgermeister und die Stadträte kommen, und ihre Frauen. Isabella singt und tanzt. Doreen steht hinterm Tresen und schenkt aus. Das wird was! Mit Honig fängt man nämlich Fliegen, Hombre. Mit Honig wie Doreen und Isabella. Und außerdem gibt's bei mir mal trockene Zigarren."
Seine Virginia war feucht geworden und ausgegangen. Er warf sie fort.
"Und der Kleine", wollte Ace wissen.
"Isabellas neuer Sohn? Der leert die Spucknäpfe aus."
"Ach ja..." seufzte Nogales. "Es ist wunderbar, daß es noch rechtschaffene Leute gibt. Pioniere, die harte Arbeit nicht scheuen, wie die guten Leute von Siloam Springs. Fleißig, ehrlich, sparsam..."
"Wie kann man nur so dumm sein", sagte Ratcliff, "und seine Bank an die Wildnis bauen, ein paar Meilen weit weg vom Territorium? Wissen die in Arkansas denn nicht, daß es in da vor Banditen nur so wimmelt?"
"Sie geben eben gern", sagte Doc Snake. Er war wieder aufgewacht. "In ihrem guten Buch steht schon geschrieben, Geben ist seliger als Nehmen. Gott der Herr kann mit ihnen zufrieden sein."
"Was machst du mit deinen Dreitausend, Doc?" fragte Cowboy Ace.
"Ich werde nach Osten gehen", sagte Doc Snake. "Dort werde ich meinem englischen Doktortitel alle Ehre machen und ein Hospital eröffnen, zum Wohl der Menschheit."
Die Halunken kicherten.
"Hast du wirklich studiert, Doc?" fragte Ace. "Ich meine, mal ernst."
Doc Snake nickte. "In Oxford und Cambridge. Meine hohe Kunst war sehr gefragt. Zu meinen Kunden gehörte nämlich der gesamte Hochadel, vom Grafen aufwärts. Einmal hab ich sogar die englische Königin untersucht. Außer einer Fettleber hatte die aber nichts."
Art Ratcliff verdrehte die Augen. Dann stand er auf. "Kommt, wir gehen essen."
Die Gewaschenen stiegen wieder in ihre Kleider und alle bis auf Ratcliff schlenderten zum Restaurant hinüber. Nun ließen sich der Comanche und die anderen beiden Bandoleros in drei der freigewordenen Wannen nieder.
Die Damen badeten in ihren Zimmern.
Ratcliff stand hinter Isabella, die vor dem Spiegel ihren Kragen zuknöpfte. Sammy war drüben bei Doreen, der blassen Rothaarigen. "Wir sollten das Kind loswerden", sagte Ratcliff.
"Warum, Art", sagte Isabella.
"Ich habe einfach kein gutes Gefühl, wenn ich ihn sehe."
"Du bist abergläubisch wie Bloody Arrow", sagte Isabella Gutierrez. Sie steckte sich das schwarze Haar hoch. "Ich will ihn. Ich behalte ihn."
"Außerdem ist er mir im Weg", sagte Ratcliff.
"Aber mir ist er nicht im Weg", sagte Isabella Gutierrez.
"Wenn wir ihn hierlassen, finden ihn seine Eltern vielleicht irgendwann."
"Bauern", sagte Isabella verächtlich. "Für die ist er weg. Die nehmen das hin wie ein Gewitter."
"Sein Vater war ein ziemlicher Bulle."
"Na und? Der Kleine gehört jetzt mir."
"Gut." Ratcliff seufzte. "Er wird dein Sohn. Du wirst seine Mutter. Er ißt bei dir, schläft bei dir, ist ständig um dich herum, Tag und Nacht. Du hörst dir sein Geheule an, setzt ihn aufs Töpfchen und putzt ihm die Nase. Wie lange tust du das, bis du die Schnauze voll hast und ihn irgendwo wegwirfst. Ich kenne dich Isabella Gutierrez. Ich will keine Toten."
Sie blickte ihn an. "Ich will ihn."
Die Glut in ihren Augen überzeugte ihn. "Gehen wir essen."
Im Emporium war Doc Snake sehr ungehalten. Er knallte das Wasserglas auf den Tisch. "Keinen Whisky? Was ist los mit diesen Indsmen? Erst sprechen sie kein Englisch, dann haben sie nichts zu trinken da! Was für ein Saloon ist das?" Er stierte in die Runde, die um zwei niedrige Tische herumsaß und Wassergläser vor sich hatte. "Wie haben wir es geschafft, unter einem Haufen Temperenzler zu landen!" Er stand auf und donnerte seine Faust auf den Tisch. Die Gläser klirrten. "Ich geh, meine Notration holen – zu medizinischen Zwecken, damit mich keiner mißversteht."
Da kam der Besitzer des Restaurants, ein lächelnder Alter, angeschlurft. In seinen Händen hielt er eine Flasche ohne Etikett, die reichte er Doc Snake.
Doc Snake entkorkte die Flasche und schnupperte. Sein Mund breitete sich im stoppelbärtigen Gesicht aus. Er strahlte von Ohr zu Ohr. "Gin", sagte er. "Englischer Gin. Diese Leute verstehen was von Medizin."
Die Runde
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