'Sie können aber gut Deutsch'
und ich gehöre immerhin dem geringen Anteil der Menschen in diesem Land an, die solche Berichte und solche Kommentare überhaupt zur Kenntnis nehmen. Wie viele Arbeitgeber werden darüber in der Zeitung lesen und sich daraufhin vornehmen: »Ach stimmt, Menschen wegen ihrer Herkunft aussortieren sollen wir ja nicht, dann lade ich den Jungen mit dem persischen Nachnamen doch mal zum Vorstellungsgespräch ein«?
Seit Jahren wird in diesen und ähnlichen Berichten – zu
Recht – festgestellt, wie wichtig frühkindliche Sprachförderung, also das Erlernen der deutschen Sprache, für den späteren Lebensverlauf sind. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien sind sich darin einig, dass es sich lohnt, darin zu investieren. Politiker aller Parteien sowie die Integrationsbeauftragte stellen, halten dies – auch schriftlich – regelmäßig fest, man macht sogar konkrete Vorschläge wie ein verpflichtendes, beitragsfreies letztes Kindergartenjahr, und dann passiert: nichts. Was nach all diesen Reden und Bekenntnissen nicht verordnet wird, ist: Ein verpflichtendes, beitragsfreies letztes Kindergartenjahr.
Nichts passiert? Naja, das stimmt nicht ganz. Kulissen werden weiterhin aufgebaut. Vier Integrationsgipfel wurden seit 2006 anberaumt, bereits 2007 wurde ein Nationaler Integrationsplan erarbeitet, der sehr wichtig klingt, weil er national ist. Darin wird dann festgehalten, dass es darum gehen müsse, »die Integrationspolitik verbindlicher zu machen«, was wiederum eine sehr konkrete, weitreichende Maßnahme ist, die ich als Staffage bezeichnen würde. Festgehalten wird auch, dass dieser Integrationsplan »zu einem Aktionsplan mit festen Zielgrößen weiterentwickelt werden« soll. Wir haben jetzt also den Plan, einen Aktionsplan zu entwickeln. Damit treiben wir die Integration möglichst schnell voran. Es wird dann auch noch ein »Integrationsindikatorenbericht« in Auftrag gegeben, der auf einem Integrationsmonitoring basiert, weil der »Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland« anscheinend nicht ausreicht. Es wird außerdem nach »weiteren geeigneten Integrationsmaßnahmen« gesucht, obwohl bislang kaum welche durchgeführt wurden. Und all das zusammen nennt sich dann Integrationspolitik in Deutschland.
Wer sich politische Papiere zu diesem Thema durchliest,
wird schnell feststellen, wie viele zusammengesetzte Begriffe es mit »Integration« gibt. Alleine in dem besagten »8. Bericht zur Lage von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland« finden sich unter anderem (!): Integrationspolitik, Integrationsplan, Integrationsmonitoring, Integrationsindikatorenbericht, Integrationsförderung, Integrationsfonds, Integrationskurse, Integrationsvereinbarung, Integrationsministerkonferenz, Integrationsleistungen, Integrationsprognose, Integrationsprobleme, Integrationsbereitschaft, Integrationsanstrengungen, Integrationsmaßnahmen, Integrationsgipfel, Integrationsreport, Integrationskonzept, Integrationsexperte, Integrationsfähigkeit, Integrationsengagement, Integrationsprogramm, Integrationsbeirat, Integrationsmanagement und Integrationsfragen.
Als Höhepunkt solcher Begriffsbildungen, die nichts weiter als Staffage sind, als Höhepunkt auch sinnloser Maßnahmen, als Beweis dafür, dass die Politik und insbesondere die Bundesregierung nicht genau wissen, wie sie mit dem Thema umgehen sollen, oder vielleicht als Beweis dafür, dass die Politik nichts tun möchte, ist die Schaffung eines Integrationspreises zu sehen, der 2010 bei der Bambi-Verleihung an den Nationalspieler Mesut Özil überreicht wurde. Was genau sagt ein solcher medienwirksamer Preis eigentlich aus? Du hast dich so gut bei uns integriert, also so viele schöne Tore für uns geschossen, dass du beinahe ein Deutscher bist, dafür ehren wir dich. Aber vergiss dabei bitte nicht, dass du eben nur beinahe ein Deutscher bist (sonst bräuchtest du ja auch keinen Integrationspreis), ein bisschen Türke bleibst du trotzdem. Aber ein vorzeigbarer! Ein Jahr später ging die Auszeichnung – umstrittenerweise – an den Rapper Bushido, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Youssef Ferchichi, der nicht zuletzt durch schwulen- und frauenfeindliche Texte wie »Ihr Tunten
werdet vergast« berühmt und reich geworden ist. Was sagt dieser Preis nun aus?
Die Stürme, die die wiederholten und sich inhaltlich wiederholenden Debatten um das Thema Integration auslösen, die Mengen an Stimmen, die sich in diesen zu Wort melden, zeigen
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