'Sie können aber gut Deutsch'
einer Diskussion, in der die Medien für die ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem 3000 Seiten dicken Pamphlet des Attentäters verurteilt wurden, weil sie einen Geisteskranken zu einem politischen Denker hochstilisieren würden, in einer Diskussion, die in Kreisen geführt wurde, die ich als links bezeichnet hätte, plötzlich: »Was natürlich schon stimmt, ist, dass man bei uns in Deutschland ja nichts gegen Ausländer sagen darf. Da ist die Situation schon krasser als in anderen Ländern.« Und ich sitze da und verstehe die Welt mal wieder nicht, das mag dramatisch und polemisch klingen, aber so fühlt es sich an, weil mir wieder mal ein Platz, an dem ich mich wohl fühlte, genommen wurde mit diesem Denken, dieser Überzeugung, die um sich zu greifen scheint wie die Pest.
Was genau darf man denn nicht sagen? Wer verbietet einem was? Was genau wurde noch nicht gesagt? Ich kenne diese Diskussion, kenne sie aus eigener Erfahrung im Zusammenhang
mit dem Judentum. Kann sie auch da nicht immer nachvollziehen, aber dann doch manchmal schon, weil dieses Land, dieses Volk nun einmal das jüdische Volk auslöschen wollte. Aber Ausländer, um mal den Begriff jener zu verwenden, die sich über dieses angebliche Sprechverbot beschweren? Muslime? Das Anzünden von Ausländerbehausungen (wie im Übrigen auch das jeglicher anderer Gebäude) ist verboten, gegen tätliche Angriffe auf Ausländer hat man mit Lichterketten protestiert, aber das Sprechen, das Sagen? Wer zugehört hat, wer auch nur ein bisschen zugehört hat bei all den Podiumsdiskussionen, den Talkshows im Fernsehen, den Feuilleton-Debatten, ach, den Gesprächen in der Kneipe um die Ecke in den vergangenen Jahren, den muss das alles doch gelangweilt haben, weil man es schon so oft gehört hat! Die Ausländer, die einem die Jobs wegnehmen, oder auch wahlweise die Ausländer, die schmarotzen anstatt ehrliche Arbeit zu verrichten, und die Ausländer, die kein Deutsch sprechen und deren Kinder auch kein Deutsch sprechen, und all die anderen Ausländer, die Probleme mitbringen und Probleme machen. Und allerspätestens seit dem 11. September 2001, seit mehr als zehn Jahren also, auch die Muslime. Die Muslime, bei denen man nie genau wissen könne, ob sie nicht doch Osama bin Laden persönlich kennen, die zu hohe Moscheen bauen (wobei zu hoch nichts mit Maßeinheiten, sondern mit Vergleichen zu christlichen Bauten zu tun hat), die sonderbare Rituale pflegen, ihre Frauen unterdrücken, unter Kopftüchern verstecken, schlagen, zwangsverheiraten und manchmal auch töten, die Muslime, die ein anderes, dem unseren widersprechenden Wertesystem haben, die den Westen vernichten wollen. Ganz ehrlich, für wen war das alles neu? Ich hatte das alles schon gehört, und ich hatte mich um des Zuhörens nicht explizit bemüht.
Das Einzige, was ich neu lernte, war die Tatsache, dass eine sehr große Gruppe von Menschen – noch nicht einmal eine ethnische Gruppe, noch nicht einmal eine, die man einem Herkunftsland hätte zuordnen können – dümmer sein sollte als der Rest der Menschheit. Und warum? Ach ja, weil all diese Menschen angeblich irgendein – wie auch immer geartetes – Verhältnis zum Islam haben. Na, das macht natürlich dumm, ist doch klar. Mir brannte die Frage unter den Nägeln, ob die deutschen Muslime, also diejenigen, die eigentlich qua Geburt das Glück bzw. Privileg gehabt hatten, als Deutsche (als schöne, deutsche Arier) ihr Dasein fristen zu können und dann den Fehler begingen, sich freiwillig den dümmeren Muslimen anzuschließen, mit dieser Entscheidung automatisch an Intelligenz verlieren? Aber selbst diese – aus meiner Sicht intellektuell fragwürdige – Gen-These war ja nicht tabu gewesen, man wurde nicht geköpft, nicht ins Gefängnis gesteckt; wie man am Beispiel Sarrazin sieht, kann man mit dem Aussprechen eines solchen Gedankens, wenn man es denn klug anstellt, sogar einiges an Ansehen und Geld verdienen. Welches Tabu, welches »endlich« also?
Es tut mir leid, ich verstehe es nicht.
Dass es Menschen gibt – mit fremdländischen Wurzeln, nicht unbedingt mit muslimischem Hintergrund –, die nicht viel oder auch gar nichts dazu beitragen, ein Teil dieses Landes zu sein, es mit zu gestalten, das bezweifelt doch keiner, auch jene nicht, die als naive Multikulti-Verherrlicher dargestellt wurden. Dass Menschen hierherkommen, die andere Werte vertreten, als die, die wir von unseren Eltern und in der Schule eingeimpft bekommen
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