'Sie können aber gut Deutsch'
erklärte mir mein Mann mal wieder am Frühstückstisch, dass ein Inder, der noch nicht einmal der deutschen Sprache mächtig ist, auch noch Anhänger des Jainismus (was auch immer das sein soll, würden die meisten in unserem
christlich-abendländischen Land denken), das urdeutsche Unternehmen, eines der großen Symbole der deutschen Wirtschaft, repräsentiere. Die jährliche Bilanz-Pressekonferenz abhalte, sprich: in der Tagesschau, dem Symbol des deutschen Fernsehens, die Zahlen der Deutschen Bank auf Englisch vortrage und dabei synchronisiert werde; das würde dem Großteil der Bevölkerung nicht gefallen, erläuterte mir mein Mann.
(Des Öfteren versucht mir mein Mann zu erklären, wie »ein Großteil der Bevölkerung« hierzulande tickt, der Großteil, der mit dem Gedankengut meines Freundeskreises laut diesen Beschreibungen so gut wie gar nichts gemein hat, der Großteil, den ich nicht kenne oder nicht kennen will? Lange Zeit nannte ich ihn einen Schwarzseher, unterstellte ihm Pessimismus, empörte mich darüber, dass er mit seinen negativen Beschreibungen mein schönes – und ich werde an dieser Stelle das Wort »bunt« bewusst vermeiden – Deutschland hässlicher machte, als es in der Realität in meinem Kopf nun einmal war. Nachdem aber die Debatte um Thilo Sarrazins Thesen entbrannt war und ich Begeisterungsrufe aus jeder Ecke hörte und kaum Buh-Rufe, außer von engen Freunden, da widersprach ich etwas seltener, wenn mein Mann mir zu erklären versuchte, wie »ein Großteil der Bevölkerung« tickt.)
Jedenfalls wurde nun in den Medien und vor allen Dingen in der Deutschen Bank selbst diskutiert, ob der Inder Anshu Jain zum Vorstandsvorsitzenden dieses Traditionsunternehmens ernannt werden sollte, alleine oder als Teil einer Doppelspitze, eine Diskussion, die ich bis zum Punkt Sprachkenntnisse auch nachvollziehen konnte, denn ja, wer in diesem Land lebt, erst recht, wer einem traditionsreichen Unternehmen dieses Landes vorstehen will, wer mit dem Bundesfinanzministerium, also der Regierung dieses Landes, verhandelt, muss auch
meiner Ansicht nach die Sprache dieses Landes – bis zu einem gewissen Punkt – beherrschen, selbst wenn in anderen Ländern ausländische Vorstandsmitglieder an der Spitze von Weltkonzernen nichts Ungewöhnliches sind. So weit, so gut und unbestritten, aber ich war mir, während ich die Medienkommentare zu diesem Thema verfolgte, unsicher, ob es in der Diskussion tatsächlich um die Sprachkenntnisse des aus fachlicher Sicht ausgezeichnet auf diese Stelle vorbereiteten Inders Anshu Jain ging oder um etwas anderes. Zum Beispiel darum: Dass DER INDER UNS DIE JOBS wegnehmen könnte. Und zwar genau so: Der Inder. Uns. Die Jobs.
Eine Angst, der ich unterstelle, dass sie sich nicht nur dann breitmacht, wenn es darum geht, den höchsten Posten in einem der größten, bekanntesten und prestigeträchtigsten Unternehmen dieses Landes zu besetzen, sondern sich tagtäglich einstellt. Wenn zum Beispiel im örtlichen Supermarkt der Job des Filialleiters frei wird. Und zur Disposition steht, dass Frau Giovanni, seit Jahren eine zuverlässige und beliebte Mitarbeiterin dieser Filiale, die Stelle bekommt. Denn Frau Giovanni ist zwar zuverlässig und beliebt, aber sie ist eben auch Frau Giovanni. Ist das diese Angst vor Überfremdung, von der in den medialen Diskussionen immer die Rede ist? Was genau ist Überfremdung? In meinem Kopf taucht neben Überfremdung immer der Begriff Überschwemmung auf, eine sehr subjektive und unbegründete Assoziation, der ebenso subjektive, unbegründete und absurde Bilder folgen: Deutschland, seine Wiesen, seine Berge, seine Wälder und seine Städte, seine Flüsse sowie Ost-, Nordsee und Alpen sind nicht mehr zu sehen, als solche zu erkennen, weil sie überschwemmt wurden von Türken und Italienern und Russen und Arabern im Allgemeinen und ein paar Afrikanern noch dazu, wie ein Tsunami haben diese Menschen Deutschland überschwemmt und ja,
man könnte sagen, in seiner Ursprungsbedeutung vernichtet. An jedem Landhaus-Holzstammtisch ein Wasserpfeife rauchender Türke. Sonntag, 20.15, auf der Mattscheibe dieses Landes: Al-Dschasira. Jeder Gartenzwerg trägt ein Kopftuch. Absurd und vereinfacht, diese Bilder, aber wenn es um die nicht geht, worum geht es denn dann bei Überfremdung, was soll das überhaupt sein? Wo fängt sie an, ab wann empfindet man einen fremden Menschen als Gefahr? Wenn in einem Unternehmen ein Drittel der Arbeitnehmer nicht ursprungsdeutsch
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