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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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den Zeilen Gesagte, das Abwertende versteht man immer. Erst recht als Kind. Ich erinnere mich sehr wohl daran, wie in der ersten deutschen Klasse, die ich jemals und insgesamt zwei Monate lang bis zu den Sommerferien besuchte und danach wiederholen sollte, Geld für irgendetwas gesammelt wurde. Ich sah das bereits eingesammelte Geld, ich kapierte, dass alle Zwei-Mark-Münzen gaben, das »irgendetwas« verstand ich nicht. Verstand auch nicht den Monolog, den man mir zu diesem Thema hielt, sehr wohl aber das abwertende »Ach, lass sie doch, versteht sie eh nicht«, das jemand, der die Szene beobachtete, von sich gab und mich damit ausschloss. Mir, die ich in Gedanken bereits zuhause meine Schatulle, ein Sparschwein-Ersatz, mit meinem ersten deutschen Taschengeld plünderte, das Gefühl vermittelte, ach du, wer braucht dich schon. Wenn ihr aber nicht wollt, dann will ich auch nicht. Ich war elf Jahre alt.
    Wenn ihr uns aber, statt etwas Geduld aufzubringen, auf die Hauptschule abschieben wollt, und abschieben ist hier wahrscheinlich der richtige Begriff, das weiß jeder, der in den vergangenen Jahren eine betreten hat (Ausnahmen ausgenommen), dann wollen wir auch nicht. Wie sollen Schüler Interesse und Lernwillen zeigen, wenn die Lehrerin beispielsweise an die Tür ihres Klassenzimmers eine Karikatur hängt, deren Botschaft lautet: Ich kann nicht mehr mit euch Kindern, ich brauche Ferien, jetzt sofort. Wie, wenn zum Beispiel ein Lehrer im Unterricht sagt: »Noch drei Stunden, die ich mit euch ausharren muss!« und das offensichtlich auch genau so meint. Momentaufnahmen, die ich aus Besuchen in Hauptschulen mitgenommen habe.

    Warum werden Kinder, die untereinander eine andere Sprache als Deutsch oder auch nur ein etwas anderes Deutsch sprechen, erst einmal argwöhnisch beäugt? Mit Zurückhaltung, mit Vorsicht, abschätzig gar? Als könnten sie von Haus aus weniger, als wären sie ein bisschen weniger wert? Eine gute Freundin, deren Kinder die internationale Schule besuchen, sagte, während wir über Nachwuchs und Schule im Allgemeinen sprachen, nicht über Migration als Problem und auch nicht über die Schwächen des deutschen Bildungssystems, ganz nebenbei: »Ich bin sehr froh, dass sie nicht permanent diesen Migrantendruck haben, zeigen zu müssen: Ich bin Migrant, aber trotzdem gut.« Warum denn »trotzdem«?
    Deutsche Eltern, Deutsch im Sinne von Urdeutsch, investieren mit steigendem Einkommen und Bildungsgrad, was hierzulande ja miteinander einhergeht, immer mehr Geld in die Fremdsprachenkenntnisse ihrer Sprösslinge. Kinderkrippen, in denen Säuglinge schon einmal Chinesisch hören, damit der Sprachklang ihnen nicht fremd bleibt, Kindergärten, in denen Englischunterricht genauso zum täglichen Programm gehört wie das Mittagessen, sprießen aus dem Boden wie Pilze nach Regen. Phorms-Schulen, in denen der Unterricht bilingual, Deutsch und Englisch, stattfindet, können sich trotz hoher Gebühren vor Anmeldungen nicht retten und führen seitenlange Wartelisten. Ein Auslandsjahr während der Schulzeit, ein weiteres im Studium gehören heutzutage im Bildungsmilieu zur Normalität. Mit der Begründung: Damit sie eine andere Sprache lernen, damit sie eine andere Kultur kennenlernen. Ein wunderbarer, lobenswerter Ansatz, der den meisten sicherlich guttut. Das alles kostet Geld, viel Geld zumeist.
    Manche Eltern haben nicht das Geld, dafür aber das Glück, ihren Kindern von zuhause aus eine Sprache, die Kenntnisse über eine Kultur mitzugeben, die nicht diejenige
ist, auf die ihr Nachwuchs im Kindergarten, in der Schule, im Fußballverein trifft. Das ist ein Geschenk, ein großes Geschenk, sowohl für die Charakterbildung eines Menschen an sich, als auch insbesondere in unserer globalisierten Welt für die Zukunft. Warum aber erntet man in Deutschland mehr Bewunderung für einen Satz wie »Meine Tochter war ein halbes Jahr in Südamerika und hat dort Spanisch gelernt« als für den folgenden: »Mein Sohn spricht zuhause Türkisch, weil meine Familie aus Antalya kommt«?
    Vor ein paar Jahren verbrachte ich einige Zeit in Kanada, wo es unter Studenten nichts Cooleres zu geben schien, als neben Englisch eine zusätzliche Sprache zu beherrschen. Wer nicht über diese Fähigkeit verfügte, griff auf seinen Stammbaum zurück und verwies darauf, dass seine oder ihre Großmutter ganz sicher aus

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