"Sie koennen aber gut Deutsch!"
mögen. Als Menschen in erster Linie, nur bedingt als Helfer und zu Helfende. »Es geht um eine Gegenseitigkeit des Lernens. Es geht um hierarchiefreie, gleichberechtigte Begegnung«, fasst Sabine Böhlau, die ein ähnliches Mentoring-Projekt in München für das Flüchtlingshilfswerk Refugio leitete, das Konzept zusammen. 87 Tandems hat sie zusammengebracht, Mentoren und Mentees, die sich auf Augenhöhe begegnen. In den Stunden, die sie miteinander verbringen, geht es nicht darum, etwas zu tun, etwas zu verändern, zu helfen, es geht um die gemeinsam verbrachte Zeit. Die Grundidee dahinter: Nur weil jemand immigriert ist, steht er nicht weiter unten in der Gesellschaft. »Integration kann nur durch Dialog, durch Veränderung beider Seiten gelingen«, sagt die evangelische Theologin. Sie
weiÃ, wovon sie spricht, in ihren Tandems wird diese Art der Integration gelebt.
Ein vereinsamter Mann aus Ãthiopien, der aufgrund einer Krankheit nicht zurück in die Heimat kann, findet Familienanschluss. Ein einsames Rentnerehepaar findet in einem albanischen Mädchen eine Art Enkelin. Ein türkischer Mann, dessen Familie die Geburtstage nun am liebsten mit der palästinensischen Familie feiert, die ihm beim Mentoring-Projekt zugewiesen wurde. Die Grenzen zwischen Mentor und Mentee verwischen. Man spricht es nicht aus, weil es so selbstverständlich ist: nämlich dass beide Seiten voneinander profitieren. Von der Begegnung profitieren, anstatt dass einer sich in dem Gefühl sonnt, vermeintlich ein besserer Mensch zu sein, weil er einem Flüchtling hilft.
Der Unterschied ist klein, die Grenze unscharf: Wo hört der so genannte Gutmensch auf, wo fängt der gute Mensch an? Refugio ist eine Hilfsorganisation, bei der Konsens ist, dass Flüchtlinge, Migranten dieses Land reicher machen. Sabine Böhlau hat einen Instinkt für diese Grenze. Zu ihrer Arbeit gehört auch das Aussortieren. »Wir suchen Menschen, die neugierig sind, gespannt auf andere Kulturen, die ihre Mentees kennenlernen wollen.« Meldet sich jemand bei ihr, weil er gerne mitmachen möchte, versucht die evangelische Theologin erst einmal, die Motive der Freiwilligen zu erforschen: Warum nimmt er sich so viel Zeit? So scheiden gelangweilte Hausfrauen, die »die Armen« unterstützen wollen, aus, so werden Karrieristen, die etwas ehrenamtliches Engagement für ihren Lebenslauf gebrauchen können, wieder nachhause geschickt. Es bleiben diejenigen, die keine Anerkennung wollen, sagt Böhlau. Immer mehr Berufstätige sind das, immer mehr Männer, immer mehr Migranten.
Wer auf der anderen Seite steht, wem also geholfen werden
soll, muss sich den Spürsinn für diese Grenze nicht erarbeiten. »Oh, ich wusste immer sehr genau, wer die Gutmenschen waren. Das spürt man sofort. Die Aussagen über die ungarische Gesellschaft trafen, natürlich, ohne eine einzige Frage zu stellen. Oder die mir ungefragt Kleiderspenden brachten für meine arme ungarische Verwandtschaft, ohne sich auch nur zu erkundigen, ob ich arme ungarische Verwandte habe«, erzählt Zsuzsa C., die in den Achtzigern als Studentin nach Deutschland kam. Wie schwierig das Einleben auch manchmal war, wie bedürftig ihre finanzielle Situation anfangs, »lieber nahm ich gar keine Hilfe an, als die von Gutmenschen«.
Inwiefern der Begriff Gutmensch in diesem Zusammenhang angebracht ist, sei dahingestellt. Zu häufig, zu unreflektiert, zu polemisch wurden in den vergangenen zehn Jahren alle möglichen naiv moralisierenden, rechthaberischen, besorgten Weltverbesserer über diesen Kamm geschoren. Zweifelsohne sind jedoch die Gemeinten keine guten Menschen. Ein guter Mensch vermittelt nicht das Gefühl der sich herablassenden helfenden Hand, die einem gönnerhaft über den Kopf streicht, ein Gefühl, das sich vielleicht schwer beschreiben, aber umso untrüglicher erkennen lässt.
Wenn Zsuzsa C., die heute Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, mit ihren zugewanderten Studenten und Schülern über so genannte Gutmenschen, über diese Art von Helfern spricht, ist es egal, wie sie sie benennt. Sie brauchen keinen Begriff. Sie alle erinnern sich an das Gefühl.
Auch ich erinnere mich an das Gefühl. Man fühlt sich herabgesetzt, erniedrigt, benutzt. Man ist plötzlich Opfer, nur noch Opfer, unten, damit andere sich hinabbegeben und einem helfen können. Helfen, nicht einen herausziehen,
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