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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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lauter, nicht leiser, nicht anders als zuvor, aber die Stimmung ändert sich merklich. Anspannung und Unbehagen machen sich in dem kleinen Raum breit.
    Am Schluss klatscht niemand.
    Â»Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn Sie noch Fragen haben, bin ich gerne bereit, diese zu beantworten«, sage ich.

    Normalerweise dauert es einen Moment, bis jemand den Anfang macht und die erste Frage stellt. Abwarten, lächeln, vielleicht einen lockeren Spruch reißen, dann meldet sich meist jemand. Diesmal komme ich nicht mal bis zum Lächeln.
    Â»Also, ich fand das ganz unmöglich, dieses letzte Kapitel, das Sie da gelesen haben. Ganz unmöglich. Also, wie Sie da über Zahnärzte schreiben. Also ganz unmöglich«, fängt die Erste an – eine Zahnarztehefrau?
    Â»Also, ich muss auch sagen, Sie müssen sich schon genau überlegen, was Sie schreiben, wenn Sie schon in unserer Sprache schreiben! Ein bisschen Dankbarkeit kann man doch erwarten!« , lautet der letzte Kommentar. Zwischen diesen beiden Aussagen nehme ich einige weitere Kommentare dieser Art hin. Es tut mir leid, die Mietgebühren für die deutsche Sprache, die wohl nicht die meine sein darf, nicht entrichtet zu haben. Es tut mir leid, mich für die Ehre, in der deutschen Sprache schreiben zu dürfen, nicht bedankt zu haben. Oder hatten sie die Dankbarkeit gegenüber dem betreffenden Zahnarzt, den deutschen Zahnärzten im Allgemeinen vermisst? Ich versäume, dies zu klären.
    Den kleineren Blumenstrauß hatte die Schwägerin von Frau Müller überreicht bekommen. Der große bleibt in seiner Vase stehen. Häppchen bekomme ich keine angeboten, dafür drückt mir die für den Abend verantwortliche Dame eine Taxirufnummer in die Hand, bedauert, dass ich den Sinn der Veranstaltung nicht erkannt habe, und gibt mir zum Abschied nicht einmal die Hand. Ich fahre nachhause, für die Zugfahrt habe ich ein Buch dabei in der Sprache der Damen (hätte ich auch dafür Mietgebühren zahlen müssen?), kann mich aber nicht aufs Lesen konzentrieren, starre aus dem Fenster und fühle mich plötzlich furchtbar allein. Zur selben Zeit essen die Damen des Katholischen Deutschen Frauenbundes aus einer
mittelgroßen, bayerischen Stadt wahrscheinlich ihre Häppchen, trinken ihren Orangensaft und ärgern sich. Sie hatten etwas tun wollen, etwas für arme Länder im Allgemeinen und Russland im Speziellen, und da kommt dann eine aus Russland und vermasselt ihnen den Spaß.
    Eine Stadt in Bayern, eine Organisation, ein Beispiel, was sagt das schon aus? Tagtäglich bewirken Tausende Ehrenamtliche, engagierte Menschen, dass dieses Land ein besseres, ein freundlicheres, ein fröhlicheres wird. Der Unterschied zwischen ihnen und den Damen, auf die ich traf, besteht darin, dass die einen etwas tun wollen – und die anderen einfach tun.
    Dass es auch anders geht, sieht man zum Beispiel an einer Hauptschule im Stuttgarter Norden. Es ist ein sonniger Nachmittag, noch zwei Tage bis zu den Ferien, draußen auf dem Hof spielen ein paar Jungs Basketball, die Schule wirkt wie Schulen am Nachmittag, wenn sie leer sind, oft wirken: groß, verlassen, ein wenig einschüchternd sogar. Von außen ein gelb verputztes herrschaftliches Gebäude auf einem Hügel mit riesigen Fenstern, fast wie ein englisches Eliteinternat. Von innen renovierungsbedürftige Klassenzimmertüren, Wände, die schon lange eines Anstrichs bedürfen, da helfen auch die lieblos nebeneinander gehängten Bilder aus dem Kunstunterricht nicht viel, ein paar halb verwelkte Zimmerpflanzen im Foyer. In einem der meistenteils leeren Klassenzimmer sitzen zwei Menschen, beide noch nicht ganz erwachsen, beide würde man an diesem Nachmittag hier nicht vermuten. Der kleinere von ihnen heißt Kubilay S., er hat Gel in den braunen Locken wie so viele Jungs in seinem Alter heutzutage, er trägt ein kariertes Hemd, und wenn er lächelt, dann tut er es verschmitzt, er könnte einem der »Wilde-Kerle«-Filme entsprungen sein. Er geht in die sechste Klasse. Der größere Mensch heißt Dilek K., sie hat schöne, lange, schwarze Haare, trägt lederne Segelschuhe,
ein Burlington-Halstuch, neben sich eine George, Gina & Lucy-Tasche, hätte sie nicht so einen südländischen Touch, sie sähe wie das klassische Klischee einer BWL-Studentin aus. Sie studiert Infrastrukturmanagement an der Hochschule für

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