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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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dass es einen Weg nach draußen gibt. Unsere Wächterin ist nicht besonders helle, und das macht mir Hoffnung. Ich lasse den Bildschirm in Neds Zelle scheinen. Er sitzt dicht bei den Ketten und blinzelt mich an. Seine blauen Augen glühen im Schein des Computers. Über einem Auge erkenne ich einen tiefen Schnitt und auf dem Wangenknochen einen Bluterguss.
    »Phase eins ist abgeschlossen«, sage ich grinsend. Der pochende Kopfschmerz bringt mich zwar immer noch um, aber ich bin stolz auf mich.
    »Ich glaube es nicht«, sagt Ned mit einem Kopfschütteln. »Du bist ernsthaft am Arsch, wenn sie rauskriegen, dass du deine Meinung nicht wirklich geändert hast. Sie werden dir mit deinem Laptop den Schädel einschlagen.«
    »Die Nummer mit dem Konvertieren ist vielleicht gar keine schlechte Idee. Ich meine, womit genau könnte ich meine Glaubensänderung unter Beweis stellen? Indem ich mit dir ficke?«
    » Ha, ha. «
    »Vielleicht finden sie jemanden, der total sexy ist, als ihren Adam. Man kann nie wissen …«
    »Du bist durchgedreht.«
    »Nun sei doch nicht so voreingenommen, Ned. Wir alle trauern auf verschiedene Art. Manche von uns versuchen weiterzuleben, das Gute im Schlechten zu finden, sich darauf zu verlassen, dass es immer einen Silberstreif am Horizont geben wird. Andere werden irre und begründen einen Kult des Jüngsten Gerichts. Jedem das seine und so weiter. Mit welchem Recht maßt du dir an zu entscheiden, ob sie mit ihrem Weg falschliegen?«
    »Ich glaube, dein winziger Erfolg ist dir zu Kopf gestiegen«, sagt er und streckt sich auf dem Boden aus.
    »Nicht ganz. Was haben wir denn heute gelernt? Helga ist ein Schwachkopf mittleren Grades, leichtgläubig, wie sich gezeigt hat, und durchaus willens, mit uns zu verhandeln. Ich würde sagen, das ist ein gigantischer Schritt für die Menschheit.«
    »Ja, und wenn du nicht gerade Scheiß-MacGyver bist, wird uns das Laptop nicht beim Ausbrechen helfen.«
    »Politik der kleinen Schritte, Ned. Politik der ganz kleinen Schritte.«
    »Weißt du was, wenn du es schaffst, uns hier rauszubringen, lege ich persönlich Lydia für dich um«, sagt er, lässt ein lautes Lachen ertönen und würgt es dann hastig ab, als er keine Antwort bekommt. Ich kämpfe mit jener Art eisiger Schwärze, die sich im Magen ausbreitet, wenn man an eine heftige Unannehmlichkeit erinnert wird.
    »Entschuldigung«, meint er.
    »Schon gut«, erwidere ich ungeduldig.
    »Wir können darüber reden. Ich bin ein guter Zuhörer.«
    »Wir können auch über dich und Corie sprechen.«
    Erneutes Schweigen. Autsch.
    »Das ist … sie ist ein Teil dieses Ganzen, Allison. Sie gehört dazu. Ich kann nur hoffen, sie ist noch die alte Corie, um meine Kinder zu beschützen.« Beim letzten Wort bricht seine Stimme. »Alles Weitere wäre ein Wunder. So oder so brauche ich Ablenkung von … alledem. Also musst du jetzt reden.«
    »Es gibt nichts zu sagen.«
    Stille. Gelegentlich höre ich ein Stück entfernt ein schwaches Tropfen. Das Plip-plop in einer Pfütze, die Geburt einer Schimmelkolonie. Dann, aus der klammen Dunkelheit, erklingt ein leises Pfeifen, erst zögernd, dann zuversichtlicher. Das Thema ist ein Ohrwurm, es setzt sich sofort im Kopf fest, und mit müheloser Grausamkeit dringen die Worte in mein Bewusstsein …
    Let’s go fly a kite
    Up to the highest height!
    »Hör auf!«, fauche ich und werfe eine Hand voll Zementbrocken gegen die Stäbe. Neds heiseres Gelächter hallt über den feuchten Boden.
    Eine Weile schweigt er, dann fragt er: »Darf ich einfach etwas sagen?« Ich höre das Rascheln seiner Jeans auf dem Boden, als er sich der Kettenwand nähert, die uns trennt. Ich finde keine Antwort, also spricht er weiter. »Zwischen uns befindet sich eine Trennwand, also mach ich einfach weiter und bin ganz ehrlich. Lydia ist nur eine bequeme Entschuldigung. Du hattest die ganze Zeit Angst davor, dich zu sehr auf Collin einzulassen.«
    »Sie ist keine Entschuldigung, Edward«, entgegne ich. »Sie sind verheiratet, weißt du, gebunden im heiligen Stand der Ehe und so weiter.«
    »Sicher, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du entsetzliche Angst hast, ihn zu verlieren.«
    »Ja, ich habe Angst. Falls du es noch nicht bemerkt hast, die Welt bricht gerade zusammen. Die ganze Zeit sterben Leute. Das ist ein bisschen beängstigend. Und natürlich auch, dass er eine Vollidiotin heiraten konnte.«
    »Wie in aller Welt sollte ein Mann so einem Auftritt widerstehen können?«
    »Halt’s Maul.«
    Er

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