Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
seinem eigenen Kopf gefangen zu sein.
Er wünschte, daß jemand käme, um nach ihm zu schauen. Er wünschte sehnsüchtigst, daß Lisa die Straßen nach ihm durchkämmen, ihn finden und nach Hause bringen würde. Er wußte nicht, wie er sonst jemals wieder nach Hause kommen sollte. Doch Lisa kam nicht.
Der Tag kühlte in den Abend hinein, und der Strom der Arbeiter auf dem Weg nach Hause verebbte.
Als letzte Möglichkeit gab es immer noch Jonathan. Jonathans Mutter öffnete ihm die Tür. Jonathan war in seinem Zimmer und arbeitete an seiner jüngsten Skulptur.
»Wenn es so werden soll«, sagte Jonathan, »wie ich es mir vorstelle, muß ich eine Möglichkeit finden, die Blasen irgendwie auf dem Boden des Beckens zu verankern. Sie sollten nämlich auf unterschiedlicher Höhe hängen.«
Wer Jonathans Zimmer betrat, kam sich vor wie in einer anderen Welt. Es sah dort aus wie in einem Kramladen der absonderlichsten Art.
»Ich habe es ‚Evolution’ genannt«, erklärte Jonathan. »Die Blasen stellen den menschlichen Fortschritt dar. Verstehst du, worauf ich hinaus will?«
»Ja«, sagte Danny. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, immer ja zu Jonathan zu sagen. Andernfalls bestand Jonathan darauf, alles zu erklären, und das konnte Stunden dauern. Die Skulptur bestand aus einem großen Aquarium, das mit Wasser gefüllt war. Was Jonathan »Blasen« nannte, waren durchsichtige Plastikkugeln, in die Jonathan verschiedene Dinge gesteckt hatte: einen kleinen Feuerstein, ein Kruzifix, ein kleines Buch, eine Brille, eine Pistolenkugel; in jede Kugel hatte er etwa anderes gesteckt.
Im Moment schwammen die Kugeln alle an der Oberfläche. »Irgendwie haut es doch nicht hin«, sagte Jonathan. »Mit der Idee stimmt alles, keine Frage. Es geht jetzt darum, sie in die Tat umzusetzen, und dabei hab’ ich Probleme.«
»Wenn du die Blasen verschieden hoch mit Wasser füllst, würden sie doch auf unterschiedlichen Höhen schwimmen, oder?«
»Schon, aber es sähe schrecklich aus.«
»Und wie wäre es, wenn du sie mit Superkleber an der Rückwand des Aquariums festklebst? Mit dem Zeug kannst du alles kleben.«
Jonathan dachte darüber nach. »Das könnte hinhauen«, sagte er. »Superkleber. Ja. Und wenn ich dann die Seitenwände abkleben würde, damit man nur noch von einer Seite hineinschauen kann, würde man nicht einmal merken, daß die Blasen alle auf einer Ebene liegen. Das ist gut, Danny. Sehr gut sogar.«
»Gern geschehen«, sagte Danny.
Er überließ Jonathan der Verwirklichung seiner Idee. Das kurze Zwischenspiel hatte ihm unheimlich geholfen. Während er in das Aquarium geschaut hatte, war ihm die Überlegung gekommen: Was würde Lisa jetzt sagen? Sie würde etwas Aufbauendes sagen. Sie würde nicht sagen: »Du spinnst, Jonathan.« Sie würde interessiert zuhören und eine überlegte Bemerkung dazu abgeben.
Auf dem Heimweg wunderte er sich über sich selbst; wie er sich so lange hatte langweilen können. Die Euphorie wich erst, als er vor der Gartentür stand. Er hatte Angst davor, seinem Vater zu begegnen. Er wußte, daß etwas gesagt werden mußte. Er wünschte, es gäbe keinen Grund dazu. Er verstand das Problem seines Vaters, oder zumindest verstand er, daß sein Vater ein Problem hatte. Aber es zugeben zu müssen war so peinlich. Als es passiert war, hatte er nichts als peinlich empfunden, doch jetzt, hinterher... Was konnte er sagen? Was erwarteten sie, daß er sagte?
Im Haus war alles still. Seine Mutter saß auf der Couch, einen Berg Flickwäsche neben sich. Am liebsten wäre er wortlos verschwunden.
»Mach keinen Krach«, sagte sie. »Er schläft.« Danny nickte.
»Hast du eine Minute Zeit?«
Er ging ins Zimmer, ließ jedoch die Tür als Fluchtweg offen. Er sah, daß sie die Tasche seiner Jeans flickte. Ewig lang hatte er ihr deshalb schon in den Ohren gelegen. Es war die Tasche, in die er seine Schlüssel steckte. Die war immer zuerst löchrig.
Sie schaute ihn nachdenklich an, als schätze sie ihn ab. »Er hat nie etwas vertragen.« Es klang, als denke sie an etwas ganz anderes. »Als ich ihn kennenlernte, war er der einzige, der nach einem halben Bier schon aus den Latschen kippte.« Sie schüttelte die Jeans aus und hielt sie Danny hin. »Eine neue Tasche. Schau zu, daß sie noch eine Weile halten. Wir können uns im Moment keine neue leisten.«
»Danke.« Er legte sich die Hose über den Arm. »Ist Lisa da?«
»Sie ist in ihrem Zimmer. Aber stör sie jetzt nicht. Sie bereitet sich auf die Gespräche
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