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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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lässt sich nicht sagen. Social Networks, die auf Klarnamen setzen, gehen vergleichsweise hart gegen sie vor. Wer seinen Usernamenauf Facebook verfremdet, kann schon mal eine Nachricht vom Administrator bekommen, dass er als verdächtig gilt.
    Für Jugendliche ist das Spiel mit Online-Identitäten auch nur begrenzt attraktiv. Die meisten User, schätzt Uwe Hasebrink, experimentieren eher in jüngeren Jahren. Mit Beginn der Pubertät wird die Suche nach der eigenen, » wahren « Identität wichtiger, und die Jugendlichen wollen sich in echten Beziehungen ausprobieren. Nicht umsonst bezeichnet Mark, der das Fake-Profil von » Edelbert von Bensberg « angelegt hat, solche Aktivitäten mittlerweile als » kindisch « .
    Ob Jugendliche auf der Suche nach echten Beziehungen im Internet unvorsichtig sind, ist unklar. Über das wahrscheinlich riskanteste Verhalten, nämlich dass sich Jugendliche mit unbekannten Erwachsenen treffen, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.
    Beate Krafft-Schöning berichtet in den Broschüren ihres Vereins Netkids von schlimmen Gewalttaten: » Im Jahr 2000 steigt eine 12 -Jährige aus Hessen ins Auto ihrer Chatbekanntschaft aus Hessen. Sie wird mehrfach von insgesamt zwei Tätern missbraucht. « Konkrete Zahlen, wie häufig solche Verbrechen vorkommen, nennt sie nicht. Der » Stern « , der zum Start von » Tatort Internet « exklusiv mit RTL 2 kooperierte, berichtete nur von einem Verbrechen, in dem Chats eine Rolle gespielt hatten. Der 15 -Jährige Murat hatte übers Internet die Bekanntschaft mit zwei Männern gemacht, die sich später zum Mord an dem Teenager verabredeten. Bei einem Treffen im Wald erstachen sie den Schüler bestialisch. 2005 wurden die beiden Täter zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
    Auch aus den USA gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass es sich beim Missbrauch durch Online-Kontakte um ein Massenphänomen handelt. Dort lief das Vorbild für die TV-Show » Tatort Internet « von 2004 bis 2007 . Das Vorgehen von » To Catch a Predator « (in etwa: » Ein Raubtier fangen « ) war weitgehend identisch mit der RTL 2 -Sendung. Der große Unterschied war nur, dass die potenziellen Täter nicht gepixelt wurden, sie also klar erkennbar waren.
    Als die Sendung in den USA anlief, setzte dort auch das Social Network MySpace zu seinem– im Rückblick eher kurzen– Höhenflug an. 2004 wurden die bunten Seiten des später von Rupert Murdoch für 580 Millionen US-Dollar gekauften Netzwerks the place to be. Facebook existierte zwar schon, war aber damals nur für Studierende von Elite-Unis geöffnet. Wer noch zur Schule ging, hatte eine MySpace-Seite und experimentierte dort mit Hintergrundmustern und Freundeslisten herum. Prompt entbrannte eine Medienpanik rund um das neue Netzwerk: Von missbrauchten und sogar getöteten Teenagern, die sich doch nur mit Bekannten von MySpace hatten treffen wollen, berichteten die Zeitungen. » To Catch A Predator « lieferte dazu die passenden Bilder– in jeder Sendung wurden die TV-Fallen in einer anderen Stadt aufgestellt, jedes Mal fing das Team neue » Raubtiere « . Drei Jahre zog die Sendung durch das Land, dann setzte Dateline NBC sie 2007 ab.
    Ein Jahr nach dem Ende der Sendung ging die US-Medienwissenschaftlerin Alice Marwick den Meldungen über Missbrauchsfälle, die angeblich über MySpace angebahnt wurden, nach. Sie durchforschte Lokalzeitungen und Online-Datenbanken. Dabei stellte sie fest, dass bei vielen der vermeldeten Fälle das Social Network überhaupt keine Rolle gespielt hatte. Letztlich fanden sich nur Beweise für vier Fälle, in denen Täter und Opfer über MySpace kommuniziert hatten. » Es liegt auf der Hand, dass es auf einer Website mit mehr als hundert Millionen Usern zu ähnlichen kriminellen Vorkommnissen wie in einer gleich großen Gemeinde außerhalb des Internets kommt « , schreibt Marwick.
    Was tun gegen Belästigungen?
    Je mehr Jugendliche schlechte Erfahrungen machen, desto stärker steigt das Bewusstsein für Gefahren und ihre Abwehr. Denn auch wenn Scham und Angst das Reden verkomplizieren, suchen Jugendliche das Gespräch mit Freunden. Gemeinsam reden sie über ihre Erfahrungen und klären sich gegenseitig über Schutzmaßnahmen auf. Das gilt vor allem für ältere Jugendliche, denn für Jüngere sind Eltern noch die wichtigsten

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