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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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nicht. Zögerlich antworten die Schüler auf die Frage, was ihre ersten Computerspiele waren. » Die Sims « oder » Harry Potter « sind die häufigsten Antworten. Dann sollen sie verschiedene Spiele nach ihren Covern beurteilen und sagen, was sie aufgrund der Aufmachung von dem Spiel erwarten.
    Bevor die Aufgabe zu Ende bearbeitet ist, klingelt es. » Darf ich schon mal mit der Präsentation zu meinem Lieblingsspiel anfangen? « , fragt Serdal beim Rausgehen. » Nein, warte lieber noch ein bisschen « , sagt Steinegger. » Wir wollen in den nächsten Stunden noch erarbeiten, nach was für Kriterien wir die Spiele bewerten. « Serdal nickt stumm. Es scheint, als wäre er enttäuscht, dass er noch nicht mit der Hausaufgabe beginnen darf.

8. In der Mega-Nische: Wie das Internet Jugendkulturen verändert
    Wenn Wendy auf Partys als DJ japanische Rockmusik auflegt, kommt es schon mal vor, dass jüngere Gäste zu ihr kommen, ihre Musikwünsche vortragen und Wendy dabei siezen. » Da kann man sich schon alt fühlen « , sagt Wendy lächelnd. Eigentlich ist sie erst 30 Jahre alt. In der Szene, in der japanische Rockmusik so beliebt ist, ist Wendy trotzdem schon eine Veteranin.
    Wendy kam 1998 das erste Mal mit japanischer Rockmusik, auch J-Rock genannt, in Berührung. In einem Anime-Fanzine las sie damals von einer Band namens X Japan, die für einen Anime den Soundtrack komponiert hatte. Die Band klang so interessant, dass sich Wendy eine CD von ihr bestellte– für 80 D-Mark über einen japanischen Buchladen. » Ich habe es nie bereut, so viel Geld für eine CD auszugeben « , sagt sie. » Die Musik hat mich sofort begeistert. « In der Folge hört sie immer mehr J-Rock und fängt an, sich dem Styling der Bands entsprechend anzuziehen: meist schwarz, oft mit Leder und Spitze versehen, wenn sie ausgeht auch auffälliger geschminkt. 2000 entwarf sie gemeinsam mit einer Freundin eine J-Rock-Fanseite im Internet. » Das hat während meines Grafikdesign-Studiums ganz gut gepasst « , sagt Wendy. Die Seite heißt Visual Shock und war eine der ersten deutschen Websites, die sich einer ganz bestimmten japanischen Szene widmete– Visual Kei.
    Visual Kei (auch VK abgekürzt) lässt sich grob mit » optisches System « übersetzen und ist ein Sammelbegriff für eine breit gestreute Szene, an die sowohl Musikfans als auch Manga- und Anime-Begeisterte Anschluss haben– Hauptsache, die Dinge kommen aus Japan.
    Visual Kei gilt als erste Jugendszene in Deutschland, die sich ausschließlich über das Internet verbreitet hat. An ihr lässt sich sowohl ablesen, wie sich Jugendkultur in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, als auch welche Rolle das Internet dabei gespielt hat. So speziell Visual Kei nämlich auch ist, so exemplarisch ist die Geschichte seiner Verbreitung für das Zeitalter der Digitalisierung.
    Den Grundstein für die immer noch wachsende Japan-Begeisterung unter deutschen Kindern und Jugendlichen hat die Zeichentrickserie » Sailor Moon « gelegt. Für viele junge Zuschauer bedeutete die Serie den ersten Kontakt mit japanischer Popkultur: Während sich Mangas und Animes in Frankreich, Spanien und Großbritannien bereits in den 80 er Jahren etabliert hatten, galten sie in Deutschland bis weit in die 90 er Jahre hinein noch als minderwertig und uninteressant. Mit dem Erfolg von » Sailor Moon « sollte sich das ändern.
    Die Ästhetik des Animes mit den riesigen, glänzenden Augen kannten viele Zuschauer noch aus der Trickfilmserie » Heidi « , die ebenfalls in Japan produziert worden war. Doch die Geschichte war vollkommen neu. Im Zentrum stand die tollpatschige Schülerin Bunny– eine Superheldin wider Willen, die nur mühsam in ihre Rolle als Weltenretterin Sailor Moon hineinfand. Unterstützt wurde sie dabei von einer Riege von Kämpferinnen, unter denen nicht nur tiefe Freundschaft herrschte, sondern von denen zwei auch eine lesbische Liebe verband. Es ging um den Anfang und das mögliche Ende der Welt, um Freundschaft, Liebe und Mut. Die Bilder dazu waren bunt und überladen wie zu dick aufgetragenes Make-up– und damit genau theatralisch genug, um den größtmöglichen Kontrast zum deutschen Alltag zu bilden.
    Â» Sailor Moon « gilt mittlerweile als eine der erfolgreichsten japanischen Trickfilmserien. Fünf Staffeln mit insgesamt 200

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