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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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verspielt hatte. Ständig Partys, ständig Alkohol, Heroin, Koks und dazu der ganze Abschaum von der Straße. Falsche Freunde, die sich nur an seine Kohle drangehängt und keinerlei Interesse an seiner Person hatten. Die viele Zeit, die er zum Beispiel für ein Studium hätte nutzen können, war ohne Resultat verstrichen. Er hatte wohl auch nie gelernt, für sich zu sorgen. Markus’ Eltern hatten ihm alles wie selbstverständlich in den Hintern geschoben, sodass er nie das lernen musste, was ein normales Kind im Erwachsenenalter erst lebensfähig macht. Das ganze Geld, der Grund und alles Drumherum halfen ihm jetzt gar nichts.
    Lenny schimpfte auf der Rückfahrt zur Wache nicht mehr über den Spritpreis und freute sich wahrscheinlich genauso wie ich über sein Wohlbefinden. Man lamentiert ja oft darüber, wie schlecht es doch auf dem eigenen Bankkonto aussieht, was für Penner die Nachbarn sind, weil der Köter ständig bellt oder wieder kein Parkplatz vor der eigenen Haustür frei ist. Aber letztendlich nützen einem die ganze schöne Kohle und der Rest gar nichts ohne die entsprechende Grundlage – eine einwandfreie Gesundheit. Auch in Markus’ Fall schien es so, als hätte das Schicksal für all den Reichtum zum Ausgleich seinen Tribut eingefordert.
    Ob dies auch Markus klar war, weiß ich nicht. Er bekam keine Chance mehr, sein Leben wieder zurechtzurücken.

Heiligabend
    An Heiligabend 2011 lag wie so oft kein Schnee. Spröde Blätter starben als Überreste eines vergangenen Herbstes auf den trockenen Gehwegen vor sich hin und waren wieder einmal nicht von weißer Pracht bedeckt.
    In den Rettungswachen gibt es alljährlich am 24. Dezember Raclette. Das entspricht zwar weder den Grundsätzen einer gesunden Ernährung, noch trägt es zur schlanken Linie bei, ist aber trotzdem eine feine Sache und sehr lecker.
    2011 räumte Lenny also gerade den letzten schmutzigen Teller in die Spülmaschine, als der Alarmempfänger den weihnachtlichen Frohsinn unterbrach. Von wegen stille Nacht. Die Bürger dieser Stadt hatten eine Menge Fragen an die Disponenten der Rettungsleitstelle, zum Beispiel: »Ich habe einen Schnupfen – was mache ich jetzt?«
    »Ich bin schwanger – und nun?«
    »Ich benötige einen Arzt, um Drogen zu erhalten.«
    »Mein Kumpel hat gesoffen, liegt grunzend in der Ecke, und ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    Fragen wie die ersten drei können normalerweise ohne Bedenken an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst weitervermittelt werden. Dafür gibt es eine zentrale Rufnummer, über welche der Anrufer die gewünschte Beratung bekommt. Oft jedoch schicken die Disponenten lieber einen Rettungswagen an den Ort des Geschehens, anstatt diese Anfragen zu beantworten. Der Grund hierfür erschließt sich mir auch nach 20 Jahren Mitarbeit im Rettungsdienst nicht. Schließlich ist von vornherein völlig klar, dass wir nichts anderes unternehmen können, als dem Patienten zum Gang in die Apotheke zu raten. Oder wir führen anstelle des Leitstellendisponenten den Anruf bei der kassenärztlichen Zentrale durch und bestellen einen Arzt.
    Vor einigen Jahren las ich einen netten Spruch an der Wand einer psychiatrischen Klinik: »112 – wir sind für jeden Spaß zu haben.« Ein Retter muss ihn dorthin geschmiert haben, als er einen Patienten einlieferte. Damals hätte ich nicht gedacht, dass dieser Spruch so wegweisend für meine zukünftige Tätigkeit als Rettungsassistent sein würde.
    An diesem Heiligabend bekamen wir die zuletzt aufgeführte Einsatzmeldung – eine mutmaßliche Alkoholvergiftung irgendwo am Bahnhof.
    »Manche Menschen kapieren einfach nicht, wann der Spaß ein Loch hat«, meinte Lenny und schaltete einen Gang zurück. »Wann hattest du deine letzte Schnapsdrossel?«
    »Vor zwei Wochen. Irgend so ein Besoffski, der sein Beziehungsende mit Mister Jim Beam gefeiert hat.«
    »Und?«
    »Das Ergebnis war ein vollgekotzter RTW und zweimal Umziehen für die Besatzung.«
    Wenn ein wacher, ansprechbarer Betrunkener sich zu übergeben droht, gibt es im Rettungsdienstgeschäft grundsätzlich zwei Handgriffe, die schnell hintereinander durchgeführt werden müssen. Richtig angewendet, verhindern sie, dass sich die Kotze in der Umgebung, sprich dem Rettungswagen, verteilt, und sorgen so für eine wesentlich angenehmere Raumluft. Der erste Handgriff besteht darin, das Hemd des Trinkers schnellstmöglich rundum in dessen Hose zu stecken. Mit dem zweiten Handgriff wird das Hemd am Kragen über den Mund

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