Sie sind Dein Schicksal
ansetzte, und ich musste mich erst ein paarmal räuspern, bevor ich wieder normal sprechen konnte. »Es tut mir leid. Danke. Ich bin nur auf der Suche nach einem Telefon, von dem aus ich mir ein Taxi rufen kann, wenn das okay ist.«
Die Kellnerin wechselte mit der Köchin einen Blick, den ich als »keine plötzlichen Bewegungen, beunruhige die Irre nicht« deutete. Sie lächelte mir zu. Ihre Zähne waren vom Nikotin so verfärbt, dass sie fast denselben Ton aufwiesen wie ihre schokoladenbraune Haut. »Sicher, Süße. Bleib du nur da sitzen. Wie wär’s mit einem Kaffee und einem Stück Kuchen?«
Ich schenkte ihr ein schwaches Lächeln, bevor sie durch eine Schwingtür in die Küche verschwand. Ein paar Minuten später erschien sie wieder, mit einer Tasse dampfendem Kaffee in der einen und einem Teller mit einem Stück warmem Apfelkuchen in der anderen Hand. Die Kugel Vanilleeis neben dem Kuchen löste sich bereits in eine zuckrige Pfütze auf.
»Das Taxiunternehmen schickt in ungefähr zwanzig Minuten jemanden vorbei. Du genießt jetzt einfach den Kaffee, und wenn du noch etwas brauchst, sagst du es mir.«
Ich ergab mich dem Trostessen und stellte fest, dass es tatsächlich half, die nervösen Knoten in meinem Magen zu lösen. Und mir half auch das Wissen, dass ich mich zu Hause zu einem jämmerlichen Ball zusammenrollen konnte. Meine Augen brannten, weil ich ständig gegen die Tränen ankämpfen musste, die ich vor der Kellnerin und der Köchin nicht vergießen wollte. Sie beobachteten mich immer noch, auch wenn sie ihr Gespräch wieder aufgenommen hatten.
Ich forschte jetzt schon bei Fremden nach ihren Reaktionen auf mich, weil ich fürchtete, dass sich bereits etwas änderte. Dass ich bereits Other-Charakteristiken aufwies. Wenn ich ins Krankenhaus ging, würde herauskommen, wie ich verletzt worden war. Wenn ir gendwer mich erkannte, könnte es sich herumsprechen und auch die Ohren der Nachrichtenleute erreichen, die immer ein Auge auf mich hielten. Beides wäre eine Katastrophe.
Aber das Schlimmere von beiden wäre, ins Krankenhaus zu gehen, um mich testen und impfen zu lassen. Der Gedanke, was es in mir auslösen würde, wenn ich direkt nach dem Desaster mit Chaz die Nachricht erhielt, dass es zu spät war, um mich zu behandeln, war erschreckend. Ich wollte nicht hören, dass es zu spät war, dass man nichts mehr für mich tun konnte. Ich wollte nicht sein wie Ethan, der auf einem Parkplatz zusammengebrochen war. Dort könnte jeder über mich stolpern und mein Geheimnis enthüllen.
Ich wollte nicht zu den Fällen in der Statistik gehören, die einfach verschwanden.
Kapitel 23
D raußen hielt ein Taxi und hupte ungeduldig. Ich ließ einen Zwanziger auf dem Tisch liegen und sammelte meine Sachen ein. Die Kellnerin winkte mir mit ihrer Zigarette hinterher. Rauch stieg von der glühenden Spitze auf, als die freundliche Frau mich verabschiedete.
Die Taschen erschienen mir schwerer, meine Reaktionen langsamer. Es kostete mich unglaubliche Kraft, meine Sachen nach draußen zu tragen und mich dem Taxi zu nähern, das mich nach Hause bringen sollte. Ich würde mich morgen von Sara mit meinem Auto abholen lassen, statt jetzt mit dem Taxi zu ihrer Wohnung zu fahren, wo ich es stehen gelassen hatte. Die Vorstellung, sie in meinem momentanen Zustand zufällig zu treffen, war einfach unerträglich. Ich musste mich sammeln und mir einen Plan für die Infektion zurechtlegen, bevor ich mit ihr oder irgendjemand anderem darüber reden konnte.
Der Taxifahrer stieg aus seinem Auto, als er sah, wie ich mit der Tasche kämpfte. Erst als er seine Hand über meine legte und mir die schwere Reisetasche abnahm, schaute ich auf und sah ihn wirklich an.
Er betrachtete mich neugierig. Seine nach hinten gegelten Haare zeigten ein paar schlecht gefärbte helle Strähnen und weiße Haarwurzeln, aber sein Gesicht war gut zu erkennen. Sein rundes Kinn mit den Bartstoppeln und die kräftigen, behaarten Arme ließen mich zusammenzucken. Er grinste mich an, auch wenn ein gutes Maß an Sorge in seinem Blick lag.
»Nein, dass wir uns mal wieder begegnen«, sagte er.
»Allerdings«, antwortete ich, sobald ich über meine Überraschung hinweg war. Wie schaffte es der Kerl, mir immer dann zu begegnen, wenn ich kurz vor dem Zusammenbruch stand? »Sie haben das beste Timing aller Taxifahrer, die ich je getroffen habe.«
Er gab ein wortwörtlich bellendes Lachen von sich. Der Kerl war ein Werwolf. Ein Mitglied der Moonwalker-Sippe, des
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