Sie sind Dein Schicksal
wollte. Jetzt war es an mir, den Blick abzuwenden. Ich packte meine Tasse fester, während ich daran dachte, was Chaz im Auto so über »Bedürfnisse« erzählt hatte.
»Wie bald werde ich wissen …?«
Er wäre ein guter Arzt gewesen. Er zuckte bei meiner Frage nicht zusammen und sprach ruhig und gleichmäßig, während er mir alle Tatsachen aufzählte, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen.
»Ohne Bluttest werden Sie es nicht sofort wissen. Die Symptome zeigen sich gewöhnlich erst zehn Tage bis eine Woche vor dem nächsten Vollmond. Sie werden sich nach rohem Fleisch sehnen. Sie werden fest stellen, dass Sie in Situationen ausrasten, die eine solche Reaktion eigentlich nicht wert sind. Einige Sinneswahrnehmungen, besonders Gerüche, könnten dafür sorgen, dass Sie sich unwohl fühlen oder Ihnen übel wird. Je näher der Vollmond kommt, desto empfindlicher reagieren Sie auf laute Geräusche, und es kann sein, dass Sie Fieber bekommen. Helles Licht wird Ihnen in den Augen wehtun. Die erste Verwandlung ist schmerzhaft und verwirrend, also warten Sie nicht zu lange damit, mich zu benachrichtigen, wenn Sie die ersten Symptome bemerken. Zu viel Stress, und Sie verwandeln sich vielleicht frühzeitig. Haben Sie noch meine Telefonnummer?«
Ich nickte nur, weil meine Kehle wie zugeschnürt war.
»Gut. Es gibt keinen Grund, sich zu ängstigen. Wir werden da sein, um Ihnen zu helfen. Ich glaube, so ist es besser. Sie werden sehen können, wie es ist, Teil eines normalen Rudels zu sein. Die Sunstriker sind ein ziemlich ungeordneter Haufen, also bin ich nicht gerade sehr überrascht von dem, was geschehen ist. Sie haben mein Mitgefühl. Gäbe es einen Weg, Sie als eine der Unseren aufzunehmen, würde ich es tun. Vielleicht können Sie sogar Ihr eigenes Rudel gründen, sobald Sie stark genug sind. Falls Sie sich dazu entschließen, werden wir Sie unterstützen.«
Die Sunstriker als ungeordnet zu bezeichnen war ein wenig, als hätte er Tschernobyl als unerwarteten, unglücklichen Vorfall bezeichnet. Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie verquer das alles war. Ich wusste Rohriks Versuch zu schätzen, höflich zu bleiben, aber das genügte nicht, um die kochende Wut zu bezähmen, die sein vorsichtig formulierter Zuspruch in mir auslöste. Die Sunstriker würden dafür bezahlen. Jeder einzelne von ihnen.
»Danke Ihnen, Rohrik«, sagte ich und streckte eine Hand über den Tisch. »Ich weiß das Angebot zu schätzen, und ich werde über das nachdenken, was Sie gesagt haben. Ich werde Sie anrufen, sobald ich mir sicher bin.«
Er ergriff meine Hand mit beiden Händen, und die Berührung seiner warmen, schwieligen Finger war beruhigend. »Rufen Sie mich an, wenn Sie jemanden brauchen, um zu reden. Ich weiß, wie nervenaufreibend das für Sie sein muss. Falls das Warten zu viel wird, lassen Sie es mich wissen, und ich werde schauen, ob ich nicht bei jemandem einen Bluttest organisieren kann, der Sie nicht an die Behörden verraten wird.«
»Danke«, flüsterte ich und entzog ihm langsam meine Hand. Er ließ mich los, rutschte wieder nach hinten und stand mit einem tiefen Seufzen auf.
»Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für Sie tun kann. Ruhen Sie sich aus. Melden Sie sich, wenn Sie die Zeit hatten, über alles nachzudenken, dann informiere ich Sie über einige der rechtlichen Möglichkeiten, die Sie haben, um gegen die Sunstriker vorzugehen. Ich kenne ein paar anständige Anwälte, die Ihren Fall nur zu gern übernehmen würden.«
Ich verzog die Lippen zu etwas, was ich für ein Lächeln hielt, doch die Tatsache, dass Rohrik in keinster Weise reagierte, verriet mir, dass es wohl nicht so freundlich gewesen war wie gedacht. »Ich möchte Ihnen noch einmal danken. Ich werde mich melden.«
Er nickte, bevor er mich noch mal mit einem langen Blick musterte, in dem genauso viel Berechnung lag wie Sorge. Dann verließ er die Wohnung. Ich blieb noch ein paar Minuten am Tisch sitzen und dachte über das nach, was er mir erzählt und was er mir angeboten hatte.
Drei Wochen Wartezeit, um zu erfahren, ob ich wirklich infiziert war, würde mich über die Kante treiben. Bis dahin musste ich es irgendwie vor meiner Familie, Sara und den Medien geheim halten. Ich musste mich mit Arnold besprechen und dabei absolut klarmachen, dass er mit niemandem darüber reden durfte. Ich würde auch Royce kontaktieren müssen. Nicht nur, um herauszufinden, woher zur Hölle er gewusst hatte, dass mich auf meinem Urlaub Ärger
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