Sie sind mein Glücksstern, Georgina (German Edition)
hatte ich in den letzten Jahren den Kontakt zu ihr verloren. Und so war ich sehr erstaunt über die Erbschaft. Sie kommt zu einer Zeit, wo das Leben auf dem Land für mich wieder neue Reize entwickelt.”
“Sie hätten keinen schöneren Ort als Netherton wählen können”, versicherte Mrs Bowlby ihm. “Wir sind hier eine große glückliche Familie – dank meinem Mann natürlich.”
Jesmond schenkte ihr ein müdes Lächeln. “Ja, ich schätze mich glücklich, diese ländliche Idylle gefunden zu haben.” Er hatte Mühe, sich nicht durch sein Mienenspiel zu verraten, denn er hielt ihren Mann für einen Schwindler. Parsons hatte ihm nur bestätigt, was er selbst schon gesehen hatte. Infolge der Misswirtschaft der hiesigen Großgrundbesitzer und der niedrigen Löhne lebten die Landarbeiter in bitterster Armut – nur dadurch konnten Mrs Bowlby und ihresgleichen diesen Aufwand treiben. Auf seinem eigenen Gut war Jesmond allerdings schon dabei, einiges zu verändern. Als Erstes wurden die Landarbeiterhäuser ausgebessert. Dafür sollte es eben mit der Restaurierung von Jesmond House etwas langsamer vorangehen. Jesmond wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er allzu reich sei. Erst später wollte er versuchen, einen Teil des ehemaligen Jesmond-Besitzes zurückzukaufen.
Mrs Bowlby aber nahm seine Antwort für bare Münze und lächelte ihn affektiert an. “Alles, was in Netherton Rang und Namen hat, werden Sie heute Abend beim Ball in der Casino-Gesellschaft treffen. Sie beehren uns doch mit Ihrer Anwesenheit?”
“Selbstverständlich werde ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen”, versicherte Jesmond ihr ehrlichen Herzens.
“Wir werden den Zeremonienmeister instruieren, Sie möglichst vielen hübschen jungen Mädchen aus angesehenen Familien vorzustellen. Mrs Pomfret und Mrs Herron sind nämlich nicht die einzigen charmanten Damen in der Umgebung. Ach, haben Sie übrigens meine beiden Töchter schon kennengelernt?”
“Leider nicht.”
“Letithia! Suche Sissy und Fanny. Nun mach schon! Ich will die beiden Mr Fitzroy vorstellen. Fitzroy? Ein seltener Name! Wissen Sie, wo der herkommt?”
“Nein”, log Jesmond. “Mein Vater starb, als ich noch ein kleiner Junge war. Aber meines Wissens lässt sich die Familie bis ins Mittelalter zurückverfolgen.”
“Interessant! Ja, damals kannten die Menschen noch ihren Platz. Damals wagte niemand einen Aufstand, steckte Heuschober an, vernichtete Maschinen. Obwohl”, beeilte sie sich hinzuzufügen, um ihr Bild vom friedlichen Netherton nicht wieder zu zerstören, “wir hier glücklicherweise bislang davon verschont geblieben sind.”
“Ich verstehe”, sagte Jesmond erleichtert, dass sie nicht weiter nach den Ursprüngen seines Namens fragte. Eigentlich hätte er sich gerne weiter umgesehen, aber er war gezwungen, auf die beiden Töchter der Gastgeberin zu warten.
Georgie hatte die ganze Zeit hinter ihm gestanden und sein Gespräch mit Mrs Bowlby amüsiert verfolgt. Irgendwie interessierte sie dieser Fitz. Sie konnte es kaum erwarten, wie er auf die Bowlby-Zwillinge reagierte. Die beiden hatten mit den Nachbarsöhnen Versteck gespielt und nur widerwillig ihr Spiel abgebrochen. Und so wurde Jesmond zwei schlaksigen jungen Mädchen vorgestellt, die ganz offensichtlich nicht an seiner Person interessiert waren.
“Cecilia, Frances – meine beiden Töchter! Mr Fitzroy ist der Großneffe von der lieben alten Dame, Miss Jesmond. Mädchen, zeigt Mr Fitzroy das Haus und den Garten!”
Jesmond verbeugte sich galant. Jetzt kann er mal erfahren, was wirkliche Rangen sind, dachte Georgie schadenfroh, während sie beobachtete, wie Fitz vorgab, von Mrs Bowlbys taktlosem Anerbieten geehrt zu sein. Doch wieder einmal hatte Georgie Jesmond Fitzroy falsch eingeschätzt. Als er von seiner höflichen Verbeugung aufschaute, blinzelte er ihr verschwörerisch zu.
Die Mädchen zeigten ihm grässliche Ölgemälde von fragwürdigen Bowlby-Vorfahren, protzige Möbel, ein kitschig vergoldetes Service, Abscheulichkeiten ohne Ende, dass er sich wünschte, Georgie wäre ihnen gefolgt. Seltsamerweise hatte er das Gefühl, dass sie sein Urteil über das Heim der Bowlbys teilen und mit einer humorvollen Bemerkung kommentieren würde. Ob er wollte oder nicht, irgendwie musste er unentwegt an sie denken.
Schließlich aber war die für beide Seiten endlose Führung beendet. “Das war es, Mr Fitzroy”, verkündete Fanny. “Es ist sehr drückend hier drinnen. Dürfen wir jetzt
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