Sie sind mein Glücksstern, Georgina (German Edition)
Blick, mit dem sie ihn ansah, war so bezaubernd, dass Jesmond am liebsten alle seine guten Vorsätze vergessen und sie in die Arme genommen hätte. Doch er hatte gelernt, sich in Geduld zu üben – wollte er ihre Liebe gewinnen, musste er abwarten, bis die Zeit reif war, um ihre Hand anzuhalten. Er verschränkte seine Hände auf dem Rücken – für den Fall, dass sie ihm nicht gehorchen wollten – und geleitete Georgie zum Portal. “Wir sehen uns heute Abend”, sagte er, während er ihr aufs Pferd half.
Georgie grüßte zum Abschied mit der Gerte. Glücklich sah Jesmond ihr nach, viel glücklicher als an dem Tag, als sie ihn nackt im Park zurückgelassen hatte. Und auch Georgie hatte in seiner Gesellschaft ihre Lebensfreude wiedergefunden, die sie seit jenem unglücklichen Nachmittag zeitweise verloren hatte.
Erst als sie hinter der Biegung der Auffahrt verschwunden war, ging Jesmond ins Haus zurück. Unbewusst hatte sie ihm eine Menge über Garth Manning verraten. Der Schurke hatte sie nicht beobachtet, so eine Information hätte der nicht so lange für sich behalten können. Folglich beschäftigten Jesmond drei Fragen: Wer hatte Garth Manning informiert? Weshalb gerade ihn? Welche Rolle spielte Manning?
Weshalb beschattete man einen Mann, der sich vom turbulenten Londoner Geschäftsleben zurückgezogen hat, überlegte Jesmond, während er an seinem Schreibtisch saß. Am Stehpult hinter ihm arbeitete Kite, und von draußen war das Hämmern der Arbeiter zu hören. Man musste diesen Garth Manning zur Rede stellen. Keine allzu schwere Aufgabe für jemanden, der sich jahrelang mit solchen Problemen befasst hatte. Der wahre Mann, der sich hinter der milden Maske versteckte, die Jesmond Fitzroy aufgesetzt hatte, als er nach Netherton kam, würde für kurze Zeit wieder erscheinen, um Garth Manning gefügig zu machen. Jesmond musste bei dem Gedanken laut lachen.
Kite schaute von seiner Arbeit hoch und ein kurzes selbstgefälliges Lächeln huschte über seine Züge. Aha … Mr Fitzroy war also wieder einmal auf Jagd! Wessen Kopf wird es wohl diesmal sein, fragte sich Kite.
11. KAPITEL
Es war ein lauer Sommerabend. Die Fenster des Speisesaals in Highcross House, dem neu erbauten Landsitz der Firths am Rande von Netherton, standen weit offen. Ein langes Büfett mit allerlei Köstlichkeiten lud die Gäste ein, sich zu bedienen, und anschließend nahm man Platz, drinnen oder draußen, wo Bänke auf den Steinwegen zwischen den duftenden Blumen- und Kräuterbeeten zum Sitzen einluden.
Beim Empfang war die versammelte Nethertoner Gesellschaft Mrs Firths berühmtem Bruder, Dr. Maynard Shaw, vorgestellt worden. Worauf sich der wahre Ruhm dieses Dr. Shaw gründete, war wohl außer Georgie niemand bekannt. Mrs Firth schien keine Ahnung zu haben, dass ihr Bruder ein Freidenker war, gut Freund mit vielen Menschen, die sie als suspekt und ehrlos eingeschätzt hätte. Zu seinen Freunden zählten gottesfürchtige Männer, aber auch William Godwin und dessen Frau Mary Wollstonecraft, eine revolutionäre Frauenrechtlerin, Godwins Schwiegervater, der Dichter Percy Bysshe Shelley, der seine Frau verlassen hatte und mit Godwins Tochter Mary durchgebrannt war. All dies war Georgie bekannt, aber sie hatte ihrer Familie nie davon erzählt. Die im Übrigen auch nichts über die wahre Natur ihres Lebens mit Dr. Charles Herron wusste.
Dr. Shaw lächelte hintergründig, als seine Schwester ihm Georgie vorstellen wollte. “Oh nein, liebste Schwester! Mrs Herron ist eine alte Bekannte.” Er küsste ihre Hand, die sie ihm zögernd reichte, und musterte Georgie unverhohlen. “Oftmals habe ich mit ihr und ihrem Gatten zu Abend gespeist. Ich kann meiner Freude kaum Ausdruck geben, Sie wiederzusehen, Madam.”
Jesmond, der hinter Georgie stand und als Nächster dem wichtigen Gast vorgestellt werden sollte, war sofort gegen ihn eingenommen. Er verstand sehr wohl die schlüpfrigen Gedanken hinter dem Blick des Gelehrten und bemerkte auch, dass Georgie leicht zurückschreckte, als der Mann ihre Hand gegen seine Brust drückte. Für die übrigen Gäste war es lediglich ein Ausdruck höflicher Bewunderung, insbesondere da Shaw fortfuhr: “Nach dem Essen freue ich mich auf ein längeres Gespräch mit Ihnen, meine Liebe.” Was blieb Georgie angesichts der versammelten Gesellschaft, die interessiert zuhörte, da anderes übrig, als huldvoll zu nicken?
Klar war auch, dass Mrs Firth ihren Bruder von dem Verhältnis zwischen Mr Fitzroy und Mrs Herron
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