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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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flach liegen«, sagt sie. Sie zieht das Päckchen Papiertaschentücher heraus, versucht ihm eines auf den Kopf zu drücken, um das Blut zu stillen. Er weicht aus, dreht sich auf die andere Seite, tritt um sich.
    »Wir hätten ihn von einem Krankenwagen abholen lassen sollen, Chiara«, sagt Stefano, starr vor Ärger. »Statt ihn selber hinzufahren.«
    »Ich konnte am Telefon nichts verstehen«, antwortet sie. »Und wer weiß, wie lange sie gebraucht hätten, bis sie gekommen wären.«
    »Wir hätten warten müssen«, sagt Stefano, »auch auf die Polizei. Man kann doch nicht einfach so vom Unfallort wegfahren. Bloß aus Ungeduld!«
    »Wir konnten nicht warten!«, sagt sie. »Siehst du nicht, wie es ihm geht?«
    Stefano beißt mehrmals die Kiefer zusammen, um zu betonen, wie viel es ihn kostet, sie in einem so absurden Vorhaben zu unterstützen.
    Ihr fällt ein, dass eine weitere Erste-Hilfe-Grundregel lautet, man solle mit dem Verletzten sprechen und versuchen, ihn zum Sprechen zu bringen und ihn wach zu halten, wenn es so aussieht, als gleite er in die Bewusstlosigkeit ab. »Wie heißen Sie?«, fragt sie. »Wie heissen Sie?«
    »Daniel Deserti«, murmelt er kaum hörbar in dem Lärm der Scheibenwischer und dem Brausen der Lüftung.
    »Deserti?«, wiederholt sie.
    »Hm«, macht der Typ, offenbar verärgert, dass er es bestätigen muss.
    Sie versucht, eine undeutliche Erinnerung einzuordnen, die zwischen vielen anderen Gedanken auftaucht, aber ohne Erfolg; sie versucht auch, sich zu erinnern, was Stimmungsschwankungen bei einem Traumageschädigten bedeuten.
    »Und Sie?«, fragt der Typ, der sich Deserti nennt.
    »Ich?«, erwidert sie und tippt sich mit dem Finger auf die Brust.
    »Wie heißen Sie?«, nuschelt Deserti.
    »Clare«, sagt sie. »Aber er nennt mich Chiara.«
    Stefano wirft ihr einen irritierten Blick zu, es ist ja wirklich nicht nötig, solche persönlichen Informationen an einen Fremden weiterzugeben, der sie mit seiner kriminellen Fahrweise vor wenigen Minuten durchaus hätte umbringen können.
    »Und warum?«, fragt Deserti.
    »Na ja, wahrscheinlich ist es einfacher«, sagt sie. »Schließlich sind wir in Italien. Oder, Stefano?«
    Stefano dreht sich um und schaut sie noch böser an als zuvor, als würde sie einen Loyalitätspakt zwischen ihnen beiden verletzen.
    »Und du lässt dir einfach so deinen Namen verändern?«, sagt Deserti etwas verständlicher. »Von so einem Blödmann?«
    »Hey!« Stefano richtet sich auf. »Und wer wäre dieser Blödmann?«
    »Du«, sagt Deserti.
    »Ste, es geht ihm schlecht«, mischt sie sich ein und zieht ein weiteres Papiertaschentuch heraus. Sie würde lieber Stefano zu ihm sagen, aber er besteht darauf, dass sie ihn Ste nennt wie seine Mutter und seine alten Freunde, auch weil er sich automatisch in ein Arbeitsklima versetzt fühlt, wenn er seinen vollen Namen hört. Zu Beginn ihrer Beziehung jedoch kam es ihr wie eine Identitätsenteignung vor, als er anfing, sie Chiara zu nennen anstatt Clare: die komplizierte Politik der Namen.
    »Mir geht’s nicht schlecht«, sagt Deserti. »Lasst mich aussteigen.«
    »Ich habe gesagt, Sie sollen sich nicht bewegen«, antwortet sie und versucht erneut, ihn auf den Sitz zu drücken. »In Ihrem Zustand können Sie nirgend wohin gehen.«
    »Mach, dass er stillhält, verfluchte Scheiße!«, brüllt Stefano. Er zittert vor unterdrückter Wut: Er schaut den blutverschmierten Deserti an, den grauledernen Sitz, der schon einige Flecken abbekommen hat, die verbeulte, schlecht schließende Heckklappe.
    »Setzt mich bei einem Taxi ab«, sagt Deserti. »Oder bei einer Straßenbahn, egal wo.«
    »Gleich sind wir da«, sagt sie, so ruhig sie kann. »Noch ein paar Minuten Geduld.« Sie versucht sich krampfhaft an die Strecke zur Notaufnahme der Poliklinik zu erinnern, sie hat sie doch erst vor einer Woche einem Kunden aus Leeds beschrieben, dessen Frau Symptome einer Lebensmittelvergiftung hatte.
    »Da, wo?«, sagt Deserti. Er unternimmt einen Versuch, die beschlagene Scheibe zu putzen, um hinauszuschauen, kann aber offensichtlich die Bewegungen seiner Hand nicht richtig koordinieren.
    »Beim Krankenhaus«, sagt sie. »Da machen sie alle nötigen Kontrolluntersuchungen und behandeln Ihre Wunde.«
    »Ich habe aber nicht die Absicht, mich kontrollieren zu lassen!«, schreit Deserti, seine Stimme überschlägt sich, er versucht den Türgriff zu packen. »Ich will nichts zu tun haben mit Krankenhäusern oder Ärzten, in keiner Form! Lasst mich sofort

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