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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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raus!«
    »Bleiben Sie gefälligst ruhig sitzen!«, schreit Stefano ebenso heftig, wenn auch in etwas weniger männlichem Ton; er drückt auf die Zentralverriegelung. »Sie lassen sich jetzt ins Krankenhaus fahren, Schluss, aus! Sie haben schon genug Schaden angerichtet, klar?!«
    »Wo hast du den her?«, fragt Deserti, wieder ziemlich undeutlich.
    »Er heißt Stefano«, sagt sie, jedes Wort betonend.
    Erneut schaut Stefano sie böse an, wütend, dass nun auch noch sein Name von ihrem Helfersyndrom vereinnahmt wird.
    »Er hat auch so ein widerliches schwarzes Auto«, nuschelt Deserti. »Es ist erwiesen, dass schwarze Autos von extrem frustrierten und aggressiven Leuten gekauft werden.«
    »Pass auf, du! Schließlich bist du auf mich draufgefahren!«, brüllt Stefano. »Und mein Auto ist überhaupt nicht schwarz, sondern Farbe Gewehrlauf, nur damit du es weißt!«
    »Siehst du?«, sagt Deserti. »Man müsste allen Scheißbesitzern schwarzer Autos pro Monat einen Bußgeldbescheid schicken, ganz egal, was sie gemacht haben.«
    »Also bitte!«, schreit Stefano. »Mister Sicherheit am Steuer hat gesprochen! Einem wie dir müssten sie lebenslänglich geben.«
    »Immer mit der Ruhe, Ste«, sagt sie.
    »Ruhe, ja klar!«, antwortet Stefano; er schlägt mit den Händen aufs Lenkrad, versetzt der Armlehne einen Stoß mit dem Ellbogen. »Warum zum Teufel hast du nicht den verdammten Krankenwagen gerufen? Nein, sie muss Samariterin spielen, dem erstbesten unglücklichen Kerl zu Diensten, selbst wenn er uns nur durch ein Wunder nicht gerade umgebracht hat.«
    »Ihr seid ein fürchterliches Paar«, brummt Deserti. »Fürchterlich.«
    »Und noch dazu stockbesoffen!«, sagt Stefano. »Oder mit wer weiß welchen Drogen zugedröhnt!«
    »Ein Lakai bist du«, sagt Deserti. »Ein Sklave.«
    »Hörst du ihn?«, brüllt Stefano. »Hörst du ihn?«
    »Was arbeiten Sie?«, fragt sie, um Deserti abzulenken und zum Sprechen zu bringen.
    »Ich schreibe«, sagt Deserti, ein klein wenig deutlicher; vergeblich rüttelt er am Türgriff. »Mach die Türen auf, du Halunke!«
    »Für Zeitungen?«, fragt sie. Unwillkürlich benutzt sie den Ton, den sie bei der Arbeit den Kunden gegenüber anschlägt: die Mischung aus Anteilnahme und Distanz, die sie zwangsläufig in dem kurzen Schulungskurs gelernt hat, ohne dass es ihr je wirklich gelungen wäre, die Anteilnahme zu reduzieren und die Distanz glaubhaft zu machen.
    »Ach was, Zeitungen«, sagt Deserti, als hätte sie ihn beschuldigt, einen unwürdigen Beruf auszuüben.
    »Sind Sie der Schriftsteller Daniel Deserti?«, fragt sie, weil ihr plötzlich ein paar Sommerabende vor vier oder fünf Jahren in den Sinn kommen, die sie lesend in einem Haus von Freunden auf der Insel Elba verbracht hat: eine Liebesgeschichte, die sie begeistert und aufgewühlt hatte, mit einem Foto auf der Rückseite, das sie im Lauf der Lektüre noch öfter betrachtet hatte.
    Er nickt widerwillig.
    »Das Auge des Hasen«, sagt Stefano und bekundet damit unerwartet eine gewisse literarische Bildung.
    »Der Blick, du Blödmann«, nuschelt Daniel Deserti. »Was?«, sagt Stefano.
    »Der Blick des Hasen«, sagt sie, da es ihr jetzt wieder einfällt, gleichzeitig mit einer erotischen Szene an einem Seeufer, die kein bisschen vulgär oder banal erzählt war und seltsame nachhaltige Empfindungen in ihr geweckt hatte.
    »Du hast das Gedächtnis eines Blödmanns«, sagt Daniel Deserti zu Stefano. »Namen und Daten reihen sich auf der grauen Tafel deines Hirns leblos aneinander.«
    »He du! Hörst du jetzt auf mit deinen Beleidigungen?!«, brüllt Stefano, er bremst, schaut ihn an und droht mit der Faust. »Nur weil du in diesem Zustand bist, sonst -!«
    »Ste«, sagt sie. »Er ist verletzt.«
    »Ja, verletzt, aber hör dir das an!«, schreit Stefano außer sich. Er putzt seine Brille, die wieder beschlagen ist, fährt ruckartig. »Jedenfalls hab ich es sowieso nicht gelesen, dein Buch! Ich hatte Wichtigeres zu lesen! Ich hab mich bloß an den dämlichen Titel erinnert!«
    »Umso besser«, raunt Daniel Deserti. »Jetzt mach die Tür hier auf.« Er rüttelt nochmals schwach an dem Griff, dann beginnt er plötzlich zu husten, krümmt sich zur Seite und kotzt in den Zwischenraum zwischen Sitz und Autotür.
    »Iiiihhhh!«, schreit Stefano, bremst scharf. »Verfluchte Scheiße, Chiara, er kotzt mir das Auto voll! Tu was! Er kotzt!! Chiaraaaa?!«
    »Was soll ich denn tun?«, fragt sie, während sie in ihrer Handtasche nach weiteren

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