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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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anthropologischer Neugier als weil er sie attraktiv gefunden hätte.
    Im Lauf der letzten drei, vier Jahre hatten sie, off weil sie nicht lockerließ und er sich allein oder angeödet fühlte, ein paar Dutzend Rendezvous, und jedes Mal ist das Resultat das Gleiche: Gesprächsthemen und gegenseitige Anziehung sind in weniger als einer Stunde abgehakt, er fühlt sich in die Falle getrieben, dazu kommt eine schlaflos zugebrachte Nacht, in der er sie im Bett auf Abstand hält, so weit er kann, Bedauern über die vergeudete Zeit, Verzweiflung bei dem Gedanken, dass es in seinem Leben niemand Besseren gibt, Mitleid mit ihr, Schuldgefühle, Ungeduld, sie möglichst schnell loszuwerden.
    Jetzt klingelt auch noch das Handy auf dem Tisch im Wohnzimmer, mit dieser unerträglichen Rap-Musik, die sein Sohn Will ihm zum Spaß heruntergeladen hat und die er natürlich nicht mehr wegkriegt. Wenigstens ist es eine gute Ausrede, um aus dem Bett zu springen und die Hose anzuziehen. Er läuft mit der Hand an der Gürtelschnalle auf den Flur, stolpert über einen der Kartons, die überall in der Wohnung herumstehen, und fällt hin.
    »Alles in Ordnung?«, ruft Miriam Lovati aus dem Schlafzimmer in ihrem Turiner Akzent mit offenen Vokalen, wo sie geschlossen sein müssten, und umgekehrt.
    »Ja!«, ruft er, schon wieder auf den Beinen, doch der rechte Knöchel schmerzt. Er nimmt das Handy: »Hallo?«
    »Daniel Deserti?«, sagt eine weibliche Stimme am anderen Ende ganz zögerlich.
    »Wer ist da?«, bellt er. »Wer spricht?«
    »Clare Moletto«, sagt die Stimme. »Störe ich Sie?«
    »Woher haben Sie diese Nummer?« Er spürt einen stechenden Schmerz, der Knöchel muss halb verstaucht sein.
    »Die haben Sie mir gegeben«, sagt die Moletto. »Als wir uns vor Ihrem Haus gesehen haben. Wegen des Schadens am Auto, auf das Sie draufgefahren sind. Im Regen.«
    »Ach so, ja«, sagt Deserti, mit einem verschwommenen Bild von ihr auf der Straße vor seinem Haus. »Nicht dass ich Dutzende von Autos angefahren hätte, das versichere ich Ihnen.«
    »Da bin ich ja froh.« Die Moletto lacht.
    »Ich habe Ihrem Verlobten das Geld schon überwiesen«, sagt er. »Was wollen Sie noch?«
    »Gar nichts.« Sie klingt beleidigt. »Ich hatte Sie wegen etwas ganz anderem angerufen, aber egal.«
    »Weshalb denn?«, fragt er; er wendet den rechten Fuß hin und her, um zu sehen, wie sehr der Knöchel gelitten hat.
    Die Moletto schweigt, vielleicht hat sie aufgelegt.
    »Hallo?«, sagt er. »Nun sagen Sie schon!«
    »Ach nichts«, sagt sie.
    »Gerade haben Sie behauptet, Sie wollten mit mir reden«, sagt er. »Worüber denn?« Eigentlich interessiert es ihn nicht, aber zumindest ist es ein Vorwand, um nicht wieder ins Schlafzimmer gehen zu müssen, bevor Miriam Lovati sich nicht angezogen hat.
    »Über eines Ihrer Bücher«, sagt die Moletto feindselig.
    »Welches?« Er beugt sich hinunter und massiert sich den Knöchel.
    »Egal«, sagt die Moletto.
    »Über welches wollten Sie reden? Ich habe sechs Bücher geschrieben.«
    »Falscher Schritt«, sagt die Moletto gezwungen. »Und?« Allmählich fallen ihm ihre seltsam exotischen Gesichtszüge wieder ein, ihre schüchterne und doch harmonische Art, sich zu bewegen.
    »Nichts«, sagt die Moletto. »Jemand hatte es im Zug liegenlassen.«
    »Da haben Sie es auf der Fahrt gelesen«, sagt er. »Ja«, erwidert die Moletto. »Aber dann habe ich es weggeworfen.«
    »Wirklich?«, fragt Deserti. »Warum denn?« Vor allem will er sie aus der Reserve locken, herausfinden, mit welcher Einstellung sie versucht, ihm als interessante Leserin zu erscheinen, unter zigtausend uninteressanten Lesern.
    »Ich glaube kaum, dass Ihnen das wichtig ist«, sagt die Moletto. »Und außerdem habe ich jetzt zu tun, auf Wiedersehen.«
    »Nachdem Sie schon mal dran sind, können Sie es mir doch sagen«, drängt er. »Schließlich haben Sie mich angerufen.« Der Schmerz am Knöchel nimmt ab: Er spürt ihn fast nicht mehr.
    »Verzeihen Sie vielmals die Störung«, sagt die Moletto. »Guten Tag.« Sie legt auf.
    »Hallo?«, ruft er in das stumme Handy, wirft es auf das Sofa, macht endlich seinen Gürtel zu. Das ist wirklich ein bescheuerter Vormittag, denkt er, in einem bescheuerten Sommer, in einem bescheuerten Leben.
    »Alles im Ordnung?«, jammert Miriam Lovatis Stimme aus dem Schlafzimmer.
    »Nein!«, schreit er.
    »Kommst du nicht noch ein bisschen her?« Er steckt den Kopf durch die Schlafzimmertür: »Ja bist du immer noch im Bett?«
    In

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