Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
noch ein Blitz kann Ihnen gefährlich werden. So eine kleine Kugel …«
    »Inoperabel!« rief Boranow und hob den Zeigefinger. »Neben der Arterie! Ich darf gar nicht daran denken!«
    » Und warum hat man Sie nach Moskau geschickt?« fragte Mütterchen Marja.
    »Ich soll hier arbeiten!« Boranow zermalmte eines der harten Plätzchen. Es klang, als zerknacke ein Raubtier einen Knochen. »Man braucht jetzt jede Hand.«
    »Was ist Ihr Beruf?« Sharenkow legte die Fingerspitzen aneinander. Er war ein schlanker, feiner Mann mit grauen Haaren, ein aristokratischer Mann, dem man sofort ansah, daß er mit dem Kopf arbeitete.
    An den Wänden hingen, mit Heftzwecken befestigt, statt billiger Bilderdrucke einige gezeichnete Ansichten von Sharenkows Hausentwürfen, wahre Prachtbauten, die er nie hatte realisieren können und die er deshalb besonders liebte. Daneben hing in einem einfachen Holzrahmen Marjas Diplom als Lehrerin und eine Belobigung der Bau-Akademie für Sharenkow, die seine Leistung bei der Planung einer neuen Technischen Hochschule rühmte.
    »Ich bin Biologe«, sagte Boranow.
    Er war darüber nicht sehr glücklich und hatte schon bei Oberst von Renneberg interveniert. Aber die Fachleute von Canaris hatten herausgefunden, daß Kuehenbergs beste schulische Leistung eine Eins in Biologie gewesen war, und daß nur die Tradition der Kuehenbergs und der Krieg es verhindert hatten, daß er sich in Greifswald für dieses Studium einschreiben ließ. »Ein Biologe macht auch in Rußland Eindruck«, hatte Renneberg gesagt. »Vor allem wird man Sie dort beschäftigen müssen, wo Sie große Freiheiten haben. Was wollen Sie mehr für Ihren Auftrag?«
    »Ein Biologe!« sagte Sharenkow und pustete gegen seine Finger. »Oje! Was soll man jetzt damit anfangen? Was ist Ihre Spezialität?«
    »Die künstliche Besamung.«
    Lyra Pawlowna, das brave Mädchen, verfärbte sich und preßte die Lippen aufeinander. Nur noch ein Strich waren sie. Ihre Augen bettelten um Mäßigung. Aber weder Pawel Ignatiewitsch noch Marja Iwanowna reagierten betroffen oder beleidigt, sie nickten nur zustimmend.
    »Ich meine die Besamung von Pflanzen!« erklärte Boranow und vermied es, Lyra anzusehen. »Wir haben in Kasan neunzehn neue Orchideenabarten gezüchtet.«
    »Damit kann man keinen Krieg gewinnen«, stellte Sharenkow fest. »Womit man sich alles in Friedenszeiten beschäftigt! Wozu braucht Rußland Orchideen?! Haben wir nicht Nelken, Rosen und Sonnenblumen genug?! Mein lieber Kyrill Semjonowitsch, ich fürchte, man wird Sie kaum als Biologe beschäftigen können. Was erwarten Sie?«
    »Ich bereite mich auf große Enttäuschungen vor.«
    »Das können Sie auch!« Sharenkow erhob sich, verschwand in der Schlafstube und kam nach einer Weile mit einem silbernen Kästchen zurück. Als er es öffnete, mit geradezu verträumtem Gesicht, war es halb gefüllt mit einem goldgelben, langfaserigen Tabak. »Orient!« sagte Pawel Ignatiewitsch feierlich. »Von einem Türken habe ich ihn bekommen, der 1939 die Akademie besuchte. Einen verrückten Namen hatte er … Yüksülükel oder so ähnlich. Wer kann das aussprechen? Zwei Packungen Tabak ließ er zurück, das ist der Rest. Und davon drehen wir uns jetzt eine dicke Zigarette, um in aller Würde nachzudenken, Kyrill Semjonowitsch.«
    Da wußte Boranow, daß er zum Mitglied der Familie geworden war, und er war sehr glücklich darüber.
    Der kleine Nikola; Antonowitsch Plejin hörte zum letztenmal seinen richtigen Namen Dallburg, als er mit umgeschnalltem Fallschirm und staksigen Schritten zu dem Flugzeug ging, das ihn in die Nähe Moskaus bringen sollte. Die Maschine wartete auf dem Militärflugplatz Stettin abseits von den anderen Staffeln; ein Fähnrich der Luftwaffe saß bereits in der Kanzel und studierte beim Schein einer Taschenlampe noch einmal die Flugroute. Ihm war klar, daß der Hinflug problemlos, der Rückflug aber ein Wettlauf mit dem Tod werden würde. Wenn alles nach Plan ablief, kam er trotzdem noch über Polen in das Morgengrauen hinein. Dort erwarteten ihn die sowjetischen Abfangjäger, die seit Monaten den Luftraum beherrschten. Keine schnellen Burschen wie die Amerikaner, auch nicht so fliegerisch-präzise ausgebildet, aber was tut das zur Sache, wenn weit und breit keine deutsche Maschine zu sehen ist, die einem helfen könnte. In der Luft war der Krieg schon verloren, nur durfte man das nicht laut denken, wollte man nicht als Wehrkraftzersetzer erschossen werden. Der Mythos Görings war

Weitere Kostenlose Bücher