Sie waren zehn
einen beachtlichen Rotzfetzen und schien darob sehr befreit zu sein. Er lachte mit greisenhaftem Gemecker. »Zu Fuß! Die Idioten sterben nicht aus. Was willst du in Moskau?«
»Ich komme von der Front …«, sagte Plejin leichthin.
»Auch zu Fuß?! Hast dich in der Richtung geirrt, was? Soll nach Berlin marschieren und landet in Duschansk … Na, so was!«
»Das hier ist also Duschansk?« fragte Plejin. »Es gibt schönere Orte.«
»Ein kluges Mitglied der Partei hat es entworfen. Vor zehn Jahren! Sollte eine richtige Stadt werden, aber dann entdeckte man, daß irgend etwas nicht genug vorhanden war. Haben nie erfahren, was es war … Aber nun stehen die Häuser da, und wir haben sie von der Sowchose übernommen.« Der Bauer griff an die Nase, und Plejin befürchtete einen neuen Rotzer. Er ging aus dem Weg, aber der Alte dachte nur angestrengt nach und musterte dann den Fremden mit Mißtrauen. »Wieso kommst du nach Duschansk?«
»Das ist eine tragische Geschichte, Genosse. Das muß man hören – man glaubt sie kaum.«
»Steig auf!« Der Bauer klopfte mit der flachen Hand auf die Holzbretter. »Wir fahren nach Michailowskoje. Das heißt, wenn wir es erreichen. Sieh dir mein Gäulchen an! Wenn ich den Namen schon nenne, wackelt es mit den Hufen! Aber was soll man machen? Die Traktoren hat man uns weggenommen, die kräftigen Pferdchen dienen in der Armee, alles marschiert gegen die Deutschen – richtig so, sage ich, nur immer zu, jagt sie davon, zerhackt sie zu Mastfutter – aber zu uns Alten sagt man: Ihr müßt dafür sorgen, daß wir nicht verhungern, wir Soldaten, jede Krume Erde muß eine Frucht tragen. Und das bei so einem Gaul! Steig auf, Genosse!«
Plejin setzte sich neben den Alten, das Pferdchen trottete weiter, und so verließ er Duschansk, ohne es betreten zu haben. In Michailowskoje, so sagte der Bauer, bekäme er bestimmt ein Auto, das ihn bis Moskau mitnehmen würde. »Und später dann« – der Alte rülpste, es roch nach sauren Gurken – »kommst du durch ein Gebiet, wo die Datschas liegen. Da wohnen die bedeutenden Genossen. Welche, die Musik machen, oder die Bücher schreiben, und welche, die an der ganzen neuen Zeit herumdenken und immer Neues erfinden. Ich bin noch nie in der Gegend gewesen. Wieso kommst du von der Front?«
»Ich bin eine seltene Krankheit!« sagte Plejin wichtig.
»Eine was?« Der Bauer starrte ihn an. Auch der alte Gaul schien menschliche Worte zu verstehen und versuchte, sich umzublicken.
»Eine unbekannte Krankheit, Väterchen.«
»Ich heiße Abram Porfiriewitsch.«
»Also es fing so an, Abram Porfiriewitsch: Ich stehe in einem Granatloch hinter meinem Gewehr, da kriechen plötzlich Drillinge auf mich zu. Was ich dir sage: Drei Offiziere, alle Leutnants, alle das gleiche Gesicht, die gleiche Uniform, die gleichen Orden, die gleiche Stimme, die gleichen Bewegungen … vollkommene Drillinge! Na, so was, denke ich! Das ist einmalig. Ich stehe stramm und melde mich. Die drei fallen in meinen Trichter, aber es wurde nicht eng, obgleich da nur noch ein Mann Platz hatte. Und dann sprechen die drei gemeinsam, genau eine Stimme über der anderen, so daß es wie eine klingt, und schnauzen mich an: ›Was glotzen Sie so blöd, Nikolai Antonowitsch?!‹ Und ich sage: ›Genosse Leutnant, ich habe nicht gewußt, daß Sie noch zwei Brüder haben!‹ – Ha, gab es da eine Aufregung! Ich mußte nach hinten zum Befehlsstand, und überall, wo ich hinkam, gab es Drillinge! Jeder muß verstehen, daß ich verwirrt war! Ich war plötzlich in eine Sondereinheit geraten, die nur aus Drillingen bestand! Wer hätte je geahnt, daß es in Rußland so viele Drillinge gibt, daß man daraus ein ganzes Bataillon zusammenstellen konnte?! Sogar der Kommandeur war ein Drilling – es war phantastisch!« Plejin seufzte und strich sich über sein jungenhaftes Gesicht. »Von da ab wurde ich von den Ärzten untersucht … bei der Division, in drei Lazaretten, bei der Armee. Und immer von Drillingen! Spritzen hat man mir gegeben, mit starken Lichtstrahlen meine Augen geblendet, meinen Kopf mit lauter elektrischen Kontakten beschraubt, mit einer Augenbinde, wie ein Blinder, mußte ich herumtappen, sogar drei Professoren – natürlich auch Drillinge! – führten mich einem Haufen Studenten vor und erklärten, ich sei ein geheimnisvoller Fall von monokulärer Diplopie, der erste bekannte Fall von Triplopie!«
»Hä?!« sagte der Bauer und starrte Plejin entgeistert an.
»Nicht nur das!« Plejin hob
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