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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– er sagte es gleichsam nach innen zu ihr –, ich habe bei Gabrielle gelernt; das konnte dein Renner Georgi nicht vorweisen! Wer drei Tage und drei Nächte hintereinander unter Gabrielles Händen überlebt hat, und hat dann hören dürfen: »Du bist wundervoll, chérie.« – den solltest auch du ernst nehmen, du tatarische Göttin!
    »Mich interessieren Ihre Männer nicht«, sagte er rauh. »Ich möchte nur wissen, ob Sie mich mit nach Moskau nehmen, oder ob ich mit dem Zug oder als Mitfahrer eines Lastwagens morgen mein Glück versuchen soll.«
    »Ich nehme Sie mit, Kolka!« Die Tscherskasskaja stützte sich aus ihrem Plüschsessel hoch, Plejin sprang hinzu und hielt sie fest, sie schwankte stark – dann legte sie ihren Kopf gegen seine Schulter. Er war nur wenige Zentimeter größer als sie, und so spürte er ihre Lippen an seinem Hals. Es war, als brenne man ihm ein Mal in die Haut. »Dytschkins Wein ist ein Teufelsgebräu!« sagte sie mit schwerer Zunge. »Wissen Sie, wo mein Zimmer ist?«
    »Nein.«
    »Aber Sie kennen Ihr Zimmer?«
    »Zelle Nummer III. Neben dem Händler, der seine Pferde durch den Hintern aufbläst.«
    »Ein schöner Trick, was?« Sie lachte und hing an ihm. Die Beine sackten ihr weg. Ihre Arme waren um seinen Nacken verschränkt, die Lippen tasteten über seinen Hals und seine Wangen. Als er einen Moment in ihre Augen blickte, erschrak er bis ins Innerste. Der Bernstein brannte. Versunkene Sonnen leuchteten aus ihm. »Bring mich weg, Kolka«, sagte ihr bebender Mund. »Kleiner, junger, lieber Kolka …«
    Er schleifte sie weg, indem er sie um die Hüfte packte und etwas hochhob, während ihre Umklammerung nicht nachgab, sondern sich eher noch verstärkte. So erreichten sie die Zelle III, Plejin legte die Tscherskasskaja auf die Holzpritsche und schloß dann die Tür. Auch hier war es heiß, die Luft bekam durch das kleine Fenster unter der Decke kaum eine Ventilation, die Wände atmeten ihre Muffigkeit aus, mit der sie sich in den langen Regenwochen vollgesogen hatten.
    Ljudmila Dragomirowna streckte sich auf dem Holzbett aus, knöpfte ihre grüne Bluse auf und hob ein Bein in die Luft. »Zieh mir die Stiefel aus, Kolka …«
    Plejin tat es, befreite die schönen Beine von dem weichen Juchtenleder und setzte sich dann auf einen Hocker. Wieder trennte ihn der Tisch von der Tscherskasskaja. Sie schob die Hände unter ihren Nacken, kratzte mit den Zehen über die Matratze und lachte ab und zu völlig unmotiviert. Es war ihre einzige Unterhaltung. Die grüne Bluse klaffte weit auseinander, ein einfacher, weißer Halter umschloß die Brüste. Ihre Haut schien aus mattiertem Gold.
    »Sing etwas –«, sagte sie plötzlich.
    Plejin zuckte zusammen. »Jetzt? Hier?«
    »Ich will, daß du singst!« Sie blickte ihn mit weiten Augen an, aus denen alles ›Asiatische‹ verdrängt war. »Kolka, wenn du jetzt nicht singst, geschieht etwas Fürchterliches. Ich spüre es … es kommt in mir hoch … es klettert aus der Tiefe herauf …«
    Plejin umfaßte mit beiden Händen seinen Kopf. Er tappte zur Pritsche, setzte sich neben Ljudmilas ausgestreckte Beine, und sie spielte mit den Zehen, ließ sie auf und ab flattern, bis er sie in seine Hände nahm.
    »So ist es gut –«, sagte sie leise. »Sing!«
    Plejins Blick streifte über ihre Brüste, ihren Hals, das Kinn, den halbgeöffneten Mund, die schmale Nase mit den kleinen ovalen Löchern, die Augen, die ihn brennend anstarrten. Um diesen wilden Kopf herum waren die Haare ausgebreitet wie ein schwarzer, zerfetzter Schleier.
    »Wenn du über mich kommst«, sagte sie mit singender Zärtlichkeit, »laß ich dich morgen früh erschießen.«
    »Ich möchte weiterleben. Was soll ich singen, Ljudmila Dragomirowna?«
    »Irgend etwas. Nun sing endlich, zum Teufel!«
    Er nickte, holte Atem, massierte ihre unruhigen Zehen und sang in einem schwebenden Piano die Liebesarie des Nemanrino aus dem ›Liebestrank‹. Er sah sie dabei nicht an, aber als er zu Beginn der zweiten Strophe doch einen Blick wagte, sah er, wie sie tief schlief, mit einem Lächeln um den schmalen Mund, die Finger verkrallt in ihr zerwühltes Haar.
    Plejin brach die Arie ab. Er löste seine Hände ganz langsam von Ljudmilas Zehen, schlich zu seinem Hocker und setzte sich. Stück für Stück seines Körpers starb vor Müdigkeit ab, als würde es in Blei eingegossen. Er beugte sich über den Tisch, legte die Arme darauf und betrete sein Gesicht auf seinen linken Oberarmmuskel. Als er

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