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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Platten. Schwarze Scheiben wie diese hier. Bernhard Etté in Moskau bei einem weiblichen Leutnant der Miliz. Leben, wie bist du verrückt!
    Dann tanzten sie. Plejin stellte sich bewußt dämlich an, trat Ljudmila oft auf die Füße, ließ sich alles mehrmals erklären. Sie tanzten beide Plattenseiten dreimal durch, ohne Licht in den Zimmern, nur umhüllt von der diffusen Dämmerung einer warmen Sommernacht.
    Plötzlich tanzten sie in einem anderen Raum, ein Bett hob sich gegen die helle getünchte Wand ab, ein klobiger Schrank, ein runder Tisch mit zwei alten Stühlen, ein Messinghaken, an dem ein chinesischer Morgenrock hing, schwarz mit riesigen Blüten und goldenen Ranken. Und sie tanzten keine Schritte mehr, keine Figuren, es war überhaupt gleichgültig, welche Musik da im Hintergrund spielte, ob Tango oder Walzer oder sinfonische Kaskaden … Ihre Körper glitten aneinander und ineinander, fanden ihre eigenen Melodien, ihren eigenen Rhythmus und ihren ganz besonderen Klang. Sie fielen auf das Bett, aber da hatte sie schon ihren Buchara-Umhang verloren, preßte Plejins Hand auf ihre Brust und küßte und biß ihn gleichzeitig in die Halsgrube.
    Er war atemlos und verwirrt, spürte ihre Hände und ihre Lippen überall, verlor die Erkenntnis über das, was mit ihm geschah, und tauchte mit zitternden Nerven in einen Nebel, aus dem er ihre Stimme dicht neben seinem Ohr hörte:
    »Wie ich brenne –«, glühte es an seinem Ohr. »Oh, ich brenne … brenne … Hilf mir, Kolka, hilf mir! Lösch mich … lösch mich aus … Gnade, Kolka, Gnade … laß mich nicht verbrennen …«
    Sein Atem stockte. Sie brach über ihm zusammen, begrub sein Gesicht zwischen ihren Brüsten, rollte auf den Rücken und lag mit weit von sich gestreckten Armen und Beinen wie gepfählt auf dem Bett, während Plejin neben ihr auf dem Boden kniete und auf seinen Tod wartete. Sein Kopf mußte jetzt zerspringen – nur das blieb noch übrig.
    Aber sie überlebten es beide … Plejin holte aus dem Nebenzimmer die übersüße Limonade, sie tranken sie wie Verdurstende, und dann streichelten sie sich wieder, tasteten ihre Körper ab, erforschten jede Tiefe und jede Erhöhung, jede Fläche und jeden Winkel. Ihr Glück war nicht mehr meßbar, es verließ die Dimensionen, wurde außerirdisch.
    »Du bist vermißt –«, sagte die Tscherskasskaja später, als sie nebeneinander lagen und wieder wie Menschen sprechen konnten. »Du bist von der Front abgefahren, aber nie in Moskau angekommen. Verloren hat man dich. Aufgelöst in Nichts hast du dich. Du bist vermißt …«
    »Das kann mich den Kopf kosten, Ljudmilaschka.«
    »Nur, wenn sie dich entdecken. Aber niemand wird dich bei mir entdecken.«
    »Das ist mir zu gefährlich.« Das ist es wirklich, dachte er. Ich gebe mich voll in ihre Hand. Von ihrer Gnade wird abhängig sein, ob ich lebe oder erschossen werde. Ich werde ihr Geschöpf sein! Nur noch ihren Willen wird es geben.
    »Es ist alles so einfach, Kolka«, sagte sie und strich mit den Fingerspitzen über seine Scham. In seinen Lenden zuckte neue Erregung, er biß die Zähne aufeinander und schüttelte stumm den Kopf.
    »Ganz einfach, glaub es mir«, sagte sie. »Ich bringe dir aus der Kommandantur eine Milizuniform mit.«
    Wie ein Schlag durchfuhr es Plejin. Der unirdische Zauber zerbarst, auch Ljudmilas tastende Finger holten ihn nicht zurück. Seine Gedanken waren klar und kalt.
    »Das ist unmöglich!« sagte er.
    »Du wirst den Dienstrang eines Unteroffiziers haben. Glaubst du, man hält einen Unteroffizier der Miliz an und fragt nach seinen Papieren? Ebensogut könnte man Stalin fragen, ob er Stalin ist …«
    »Das würdest du tun?« Plejin beugte sich über die Tscherskasskaja. Er küßte die Spitzen ihrer Brüste und sah, wie das Bernsteinmeer in ihren Augen zerfloß. Das ist ein Weg, dachte er dabei. Das ist geradezu phantastisch. Wenn sie die Uniform bringt, macht sie sich mitschuldig. Dann ist das Gleichgewicht wiederhergestellt. Auf Gedeih und Verderb sind wir miteinander verbunden.
    »Es ist ja nur eine kurze Zeit, Kolka.« Sie nickte, schlang ein Bein um seine Hüfte, zog ihn damit zu sich heran und seufzte tief. »Wenn der Krieg zu Ende ist, fragt niemand mehr, woher Nikolai Antonowitsch Plejin kommt. Es kann nicht mehr lange dauern, die Deutschen sind schon besiegt, sie begreifen es bloß noch nicht!«
    Bis zum Morgendämmern schweißten sie ihre Körper zusammen, rissen sie wieder auseinander und verschmolzen sie erneut in der

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