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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vater wird dafür sorgen. Im Planungsausschuß sitzen viele maßgebende Genossen. Wir heiraten doch?«
    »Ja!« sagte Boranow. Er drückte Lyras Kopf an sich und blickte über ihr Haar in den stillen Park. Alle Bänke waren besetzt mit engumschlungenen Paaren. »Ja, wir heiraten – wenn die Zukunft uns gnädig ist.«
    Die Aussichten waren jetzt gering geworden. Iwanow hatte versprochen, zu versuchen, Boranow in die Einschalbrigade hinüberzuholen. Zu zweit war es sicherer, Stalin gegenüberzutreten.
    Sepkin rutschte an diesem Tag in einen Glücksfall hinein. Auf der Metro-Station Kolchoznaja war ein schrecklicher Unfall geschehen: Eine junge Frau stolperte, stürzte auf die Gleise, suchte nach beiden Seiten Halt, faßte eine alte Frau und einen bärtigen Mann, riß sie mit, und als sich zwei Mutige auf die Schienen stürzten, um das Menschenknäuel wegzureißen, fuhr der Zug ein. Wer kann da noch rechtzeitig bremsen?! Es war nicht mehr viel zu retten von diesen fünf Menschen. In der Unfall-Klinik versuchten die Ärzte alles, amputierten abgequetschte Beine und Arme, nähte aufgeschlitzte Körper zusammen … Nur zwei der Armen überlebten, für immer Krüppel.
    Sepkin an seinem Ofen I bekam Arbeit. Auf einem Wägelchen rollte OP-Helfer Radolow einen Kübel voll OP-Abfälle durch den Gang zu seinem neuen Freund und hängte ein kurzes Schwätzchen dran. Von dem Unglück erzählte er und von dem Rätsel, wie Menschen noch leben konnten, die eine Metro so zugerichtet hatte. »Ein nettes Frauchen«, sagte er. »War schwanger im dritten Monat. Wird wohl der Grund gewesen sein, warum ihr plötzlich schwindlig wurde. Ist schon ein Jammer, Piotr Mironowitsch, was einem im OP so alles unter die Hände kommt.«
    Sepkin zog seine Gummihandschuhe an, band die Gummischürze um und schob den Kübel zu seinem Ofen. Er war voll aufgeheizt; die Überreste vom Vormittag hatte Sepkin vor einer Stunde in die Aschenkammer gekarrt. Nur ein Zufall war es, daß er beim Umfüllen in die Brennkammer die Männerhand sah. Etwas blitzte an ihr, und da es nicht normal ist, daß eine amputierte Hand Strahlen versendet, holte Sepkin mit einem eisernen Schieber die Hand näher an sich heran. Es war ein Ring. In der Eile der Operation mußte man ihn übersehen haben, er war als Amputationsstück in den OP-Eimer gefallen und dann bei ihm gelandet. Ein schöner Ring. Golden, mit einem dunkelblauen Stein, geschliffen wie ein Saphir.
    Sepkin überwand einen Anfall von natürlicher Übelkeit, packte die Hand mit einer Zange und trug sie zu dem gekachelten Becken. Dort ließ er sie hineinfallen, lief zum Ofen zurück, verriegelte die schwere Eisentür und öffnete das Ventil. Glühende Hitze strömte in die Brennkammer, trocknete die Überreste aus und ließ sie zu Staub zerfallen.
    Es dauerte eine Weile, bis es Sepkin gelang, Luka Antipowitsch Puschkin zu erreichen. Man fand ihn in Zimmer 317, das gar nicht zu seiner Station gehörte. Aber auf 317 lag ein Funktionär der Zentralen Brennstoffkontrolle. Er hatte sich den Arm gebrochen, als er im Garten seiner Datscha Kirschen pflücken wollte. So hieß es … Eingeweihte sagten schlicht, er sei wie ein besoffenes Schwein gegen eine Mauer gerannt.
    Aus welchem Grund, wußte niemand. Immerhin ist ein solcher Funktionär ein wichtiger Mann, vor allem, wenn man an den kommenden Winter denkt. Und Puschkin saß nun voller Vorsorge bei ihm, schnitt ihm ein Butterbrot mit Käse in kleine Häppchen und reichte sie ihm. Die Krankenschwestern waren machtlos. Puschkin brüllte sie an, als sei er der Zar aller Moskauer Kliniken.
    »Was ist, Piotr, mein Söhnchen?« fragte er. Jelenas Liebe zu Sepkin erwärmte auch sein Herz. Zwar überflutete ihn Traurigkeit, wenn er sich seine Jelenaschka in den Armen Piotrs vorstellte, denn das war ja, vom väterlichen Standpunkt aus, nahezu eine todeswürdige Entweihung, aber er sah doch auch, wie glücklich die beiden waren, und daß der Himmel anscheinend den richtigen Mann ins Haus geschickt hatte.
    »Komm herunter!« sagte Sepkin. »Ich habe etwas.«
    »Ich auch!« rief Puschkin zurück. »Es ist vorbei mit dem Frieren im nächsten Winter.«
    »Etwas Wertvolles, Luka Antipowitsch. Das mußt du sehen!« Puschkin versprach, zum Ofen I zu kommen, fütterte seinen Funktionär noch zu Ende und stieg dann hinab zu Sepkin. Wortlos führte Piotr Mironowitsch den gespannten Puschkin zu der gekachelten Wanne und zeigte hinein.
    »Oje!« sagte Puschkin ergriffen. »Das sollte man nicht

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