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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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konnte sich vordrängen als Schutz für den großen Genossen, konnte ihm so nahe kommen, daß ihn keiner mehr aufhielt, wenn er schießen würde. Die Tscherskasskaja küßte seinen Nacken, strich mit beiden Händen über seine Brust und lachte ihn durch den Spiegel an.
    »Willst du sie gleich anbehalten?« fragte sie. »Sollen wir eine Probe machen?«
    Eine Probe für den Tod, dachte Plejin, und wieder kroch eine kindliche Angst in ihm hoch. Ljudmila Dragomirowna, wie glücklich bist du. Wenn du wüßtest, was du mit dieser Uniform ins Haus gebracht hast.
    Sie fuhren bis zum Armenia-Prospekt, dorthin, wo der stärkste Verkehr um diese Zeit durch die Straßen flutete, stellten sich an die Ecke des Tretjakovskij-Prospekts und lachten sich an. Plejin war es elend zumute; die Uniform lag auf ihm wie ein Eisenpanzer.
    »Versuch es!« sagte Ljudmila Dragomirowna und drückte Plejin verstohlen die Hand. »Du bist ein Sergeant. Du kannst sie alle beherrschen …«
    Plejin nickte. Er ging über die Straße, stellte sich auf die Kreuzung und hob die Hand. Die Autos bremsten und warteten geduldig, eine Schlange bildete sich bis zu dem Vorgarten des Bolschoi-Theaters, aber niemand hupte, niemand fragte … Ein Sergeant der Miliz sperrte die Straße, also mußte es einen Sinn haben.
    Plejin ließ den Arm sinken und drehte sich weg. Umrauscht von Autos, wartete er, bis sich der Verkehr normalisiert hatte, und ging dann zu der Tscherskasskaja zurück. Ihre schrägen Augen glitzerten.
    »Hast du Angst gehabt?« fragte sie.
    »Nein. Es war wundervoll!« Plejin schluckte. Sie stiegen in Ljudmilas Dienstwagen, und wer jetzt, als ferner Zuschauer, noch Fragen hätte stellen mögen, verzichtete wohl darauf mit der Überlegung, daß manches geschieht auf der Welt, was auch durch Erklärungen nicht besser wird.
    Sie fuhren nach Hause, zogen sich aus und liefen nackt herum, wie sie es sich angewöhnt hatten. Dann lagen sie nebeneinander auf dem Bett, hörten Musik, lasen die Zeitungen und tasteten ihre Körper ab.
    Es war ein Glück um sie, so unwirklich, daß sie es festhalten wollten, indem sie sich aneinanderklammerten.
    Petrowskij war an diesem Abend nicht zu Hause. Er, das Großmaul, der jede Situation mit frechen Worten entschärfte, litt an einem inneren Überdruck, den er Larissa Alexandrowna nicht erklären konnte.
    Wie immer waren sie vom Traktorenwerk zusammen nach Hause gefahren, aber Petrowskij war bedrückt. Den ganzen Nachmittag hatte er daran zu tragen gehabt, daß vier von ihnen Moskau nicht erreicht hatten. Was keiner bei ihm für möglich gehalten hätte: er wickelte sich in Trauer ein, dachte an die Tage in Eberswalde, an die fröhlichen Abende, an die Gespräche mit dem musikbesessenen Kraskin und dem jungenhaften Tarski, an den Abschied vor der Abfahrt zu den Flugstützpunkten, wo ihre Fallschirme warteten. Jedem war damals klar gewesen, daß es kaum eine Rückkehr geben würde – aber die Gewißheit, daß es den Freund getroffen hat, muß von der Seele erst bewältigt werden.
    »Einen Besuch machen wir heute«, sagte Petrowskij, als sie auf dem Umsteigebahnhof der Metro warteten. »Larissa, fahren wir zu Dr. Speschnikow!«
    »Bist du krank?« fragte sie und bekam runde Augen. »Luka, oh, Gott, nein, merkst du wieder den Ulcus?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich brauche ihn jetzt, mein Schwan.«
    »Also bist du doch krank? Leugne es nicht! Ihr Männer wollt es immer nicht wahrhaben, wenn ihr krank seid. Nur nicht ins Bett, wenn keine Frau drin liegt! Nur keine Medizin! Oh, Liebling, hast du Schmerzen?«
    »Ich bin gesund«, sagte Petrowskij. »Glaub es mir, Larissa.«
    »Du bist ein Ulcus …«
    »Es hat sich eingekapselt. Rieche ich noch aus dem Mund wie eine Jauchenkuhle?«
    »Nein.«
    »Ist das kein Beweis?« Petrowskij legte den Arm um Larissas Schulter. Sie zittert, dachte er glücklich. Sie hat Angst um mich. Meine kleine, zärtliche Frau ist sie. Große Pläne macht sie schon für die Zeit nach dem Krieg. Eine Holzhütte mit einem Gärtchen, damit die Kinder am Sonntag nicht mehr im steinernen Hof des Hauses spielen müssen. Gemüse will sie ziehen und Kirschen und Beerensträucher. Sonnenblumen, so groß wie Wagenräder. Oh, Larissa, wenn es keinen Stalin gäbe …
    »Dr. Speschnikow ist ein guter Freund. So allein ist er … Man sollte ihn ab und zu erheitern. Warum nicht heute?« sagte er. »Du mußt ihm dankbar sein. Ohne ihn hätte ich dich nie getroffen.«
    Im Petrowskij-Krankenhaus, Nachtwache II, war die

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