Sie waren zehn
blies sie ihn heraus –, und putzt sich mit einem Taschentuch die Stirn. ›Sofort begraben, Danilo Arturowitsch‹, sagt er streng zu mir. Steigt auf sein Motorrad, und weg ist er. ›Na, wie ist das gelaufen?‹ fragt mein Nachbar stolz. ›Hab ihm erzählt, das muß eine Abart der asiatischen Rinderpest sein.‹ So schnell ist noch keine Kuh zerlegt worden! Alles gutes Fleisch, alles sauber in den Innereien, nicht das Knötchen einer Krankheit! Eine wahre Gabe Gottes!« Semjon Tichonowitsch holte Luft und sah seine Familie, zu der nun auch schon fast Iwanow gehörte, wie um Beifall heischend an. »Ein guter Mensch, der Danilo Arturowitsch! Ein wahrer Kamerad. Aber, meine Lieben, so schnell ist ein Haller nicht überzeugt. ›Was ist‹, frage ich Danilo, ›wenn nun doch in irgendeinem Eckchen eine böse Krankheit hängt? Verstecken sich gern, die Bazillchen! Warum fällt eine so schöne Kuh einfach um und reckt die Zehen in die Luft? Darüber sollte man nachdenken!‹ Und Daniel antwortete: ›Brüderchen, ist das Fleisch oder nicht? Fiel's vom Himmel oder nicht? Haben wir zuviel davon, oder träumen wir oft von Fleisch? Wer will da noch lange Forschungen anstellen? Brat es gut durch, so richtig knusprig, knacken muß es, dann hast du auch alle Krankheiten weggebraten!‹« Haller sah sich im Kreise um. »Wem leuchtet das nicht ein?«
»Ein wunderschönes Stück ist es«, sagte die Haller und trug den Fleischbrocken auf beiden Händen durch das Zimmer, wie einst der Pope das Osterkreuz. »Ein wahrer Sonntagsschmaus!«
»Jetzt wird es gebraten!« schrie Semjon Tichonowitsch. »Jetzt! Bis Sonntag können sich die Bazillen zu einer Armee vermehrt haben! Mütterchen, geschenktes Fleisch soll man nicht in den Vorrat hängen …«
Ein gelungener Abend wurde es. Antonina hatte den Braten mit einer Essigsoße verfeinert und mit heißen, aufgequollenen, ehemals getrockneten Kartoffelscheiben garniert. Semjon fraß wie ein Tiger, breit, hemdsärmelig, die Beine gespreizt, ein Kraftprotz, der voll Stolz prahlte, weil er seiner Familie ein so schönes Essen besorgt hatte. Dabei verschwieg er aber, daß er für Danilo Arturowitsch aus dem Werkzeuglager eine Drahtschere geklaut hatte, was in den nächsten Wochen nicht auffallen würde. Es ist nicht nötig, daß Frauen alles wissen, schon gar nicht, was die Größe eines Mannes mindern könnte.
Wanda und Iwanow saßen nach dem Essen Hand in Hand auf dem Sofa, dem Prunkstück der Hallers, wie überhaupt ein Sofa zur Einrichtung eines gediegenen russischen Haushaltes gehört. Zuerst hatte Semjon Tichonowitsch etwas scheel auf seine Tochter geblickt, wenn sie sich so eng an Fjedor Pantelijewitsch drückte und ihn mit Blicken fast auffraß. Aber das schliff sich ab, je mehr die Hallers sich damit abfanden, daß Töchterchen Wandaschka einen Sohn ins Haus gebracht hatte und sichtbar glücklich war. Jetzt war es schon so, daß sie Fedja im Beisein ihrer Eltern küßte, und Semjon stülpte die Unterlippe vor, blickte woandershin und sagte sich, wie jeder Vater, daß es ein wenig weh tut, wenn das Töchterchen einen anderen, völlig fremden Mann liebenswerter findet als den eigenen Papa.
»Gut«, sagte Semjon einmal in der Küche zu Antonina. »Gut! Gut! Er ist hier, er ißt mit uns, er trinkt mit uns, er spielt mit mir Schach, er gibt seinen Lohn ab in die Familienkasse, Wanda verschlingt ihn mit den Augen, und wenn ich weg sehe, streicheln und küssen sie sich … Aber in mein Bett kommen sie nicht! Vaterliebe hat auch ihre Grenzen!«
Bei den Sharenkows gab es über solche Dinge keine Diskussionen. Pawel Ignatiewitsch, der Architekt, war durch Erziehung und Bildung zu erhaben, um solche Dinge zu bereden. Lyra Pawlowna liebte Kyrill Semjonowitsch Boranow, und nur einmal hatten die Eltern ihr Töchterchen ins Gebet genommen, als Boranow Spätdienst machen mußte, weil drei Straßenbahnen durch Motorschaden ausgefallen waren und ins Depot geschleppt werden mußten. Die Erfüllung ihres Solls im Auge, warteten also die Reinigungskontrollen, bis die Wagen einrollten.
»Wollt ihr heiraten?« fragte Sharenkow wie ein Untersuchungsrichter.
»Ja!« antwortete Lyra Pawlowna.
»Warum?«
»Ich kann mir nicht mehr denken, ohne Kyrill zu sein.«
»Eine gute Antwort«, warf Marja Iwanowna, die Mutter, ein. »Das gleiche habe ich vor zweiundzwanzig Jahren meinem Vater gesagt.«
»Andere Zeiten!« sagte Sharenkow. »Ganz andere Zeiten!«
»Aber die Liebe bleibt immer
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