Sie waren zehn
verbrennen.«
»Deshalb habe ich dich gerufen.«
»Ein wertvoller Ring, sag?«
»Gold, und wenn ich mich nicht täusche … ein blauer Saphir.«
»Dem Mann mit dem Bart muß er gehört haben. Hat's nicht überlebt, der Gute. Ein so schöner Ring!«
Er wollte zu der Hand greifen, aber Sepkin hielt ihn fest. »Nicht ohne Gummihandschuhe, Luka!« sagte er.
»Ha!« Puschkin schüttelte sich. »Mir das! Mir das! Mir das! Wie lange bin ich Krankenpfleger, he? Habe schon Tote weggetragen, da krähtest du noch in den Windeln! Nicht eine Infektion bisher, Söhnchen! Nicht ein Hauch von Sepsis! Ein immuner Mensch bin ich, das solltest du wissen!«
Er griff in die Wanne, holte die amputierte Hand heraus, zog den Ring vom Finger und hielt das Schmuckstück hoch gegen die Deckenlampe. Dunkelblau leuchtete der Stein in der goldenen Fassung.
»Ein Saphir«, sagte Sepkin. »Ohne Zweifel. Ein Prachtstück! Der ist etwas wert.«
Der Fortgang dieses Glücksfalls ist schnell berichtet: Puschkin lauerte den herbeigerufenen Hinterbliebenen auf, versicherte sein Beileid, weinte mit ihnen an der Bahre des bärtigen Toten, dem man nicht die Hände gefaltet hatte, weil ja eine Hand fehlte, und erfuhr mit tiefer Befriedigung, daß das liebe Großväterchen der pensionierte Direktor der Konservenfabrik ›Fortschritt‹ gewesen war. Auf seinen Rat und seine Erfahrung hatten seine Nachfolger bis heute gehört; ein riesiges Begräbnis würde das geben.
Puschkin war so voll Mitleid, daß er wartete, bis die Witwe und der älteste Sohn allein vor dem Aufgebahrten standen. Dann erzählte er von der Rettungsaktion; von dem Ring, den – so schilderte Puschkin dramatisch und augenrollend – sein Schwiegersohn Piotr unter Einsatz seines Lebens aus den Flammen gezerrt hatte. Er zeigte den Ring, den Witwe und Sohn sofort erkannten, worauf sie, mit Puschkin, noch einmal in Tränen ausbrachen.
»Ein Glückstag!« rief Puschkin später nach Dienstschluß. Sepkin wartete auf ihn in der Eingangshalle. »Ich gestehe es; Jelena ist bei dir in den besten Händen. Du hast begriffen, wie man eine Familie ernähren kann. Keine Not haben wir mehr, Söhnchen! Ein Karton Konserven jeden Monat ist uns sicher. Geschworen haben sie's und dabei das bärtige Väterchen angeblickt!«
Schon am nächsten Morgen machte sich Puschkin auf den Weg, die ersten Konserven einzutreiben.
Die Tscherskasskaja hatte ihr Wort gehalten: Aus der Kleiderkammer der Miliz brachte sie eine Uniform mit. Auf dem Bett breitete sie den Raub aus, umarmte den kleinen Plejin, nannte ihn wie immer ›Mein Adlerchen‹, riß sich fast die Kleider vom Leib und liebte Plejin neben der Uniform. Ihre sphärische, singende Stimme hätte in diesen Minuten Sterne zerplatzen lassen können, so wie es Stimmen geben soll, bei deren Klang Gläser zerspringen.
Der kleine Plejin ertrank in Lust und Wonne. War es schon unbegreiflich, daß er die tödliche Gefahr der Milizstreife überstanden hatte, so erschien es ihm von Tag zu Tag unfaßbarer, daß er mit einer Frau zusammenlebte, von der es in dieser wilden Schönheit nur ein Exemplar auf der ganzen Erde geben konnte. Nicht satt sehen konnte er sich an ihrem glatthäutigen Körper, der überall, wo man Rundungen erwartete, mit seinen festen Polstern jeden Wunsch übertraf, und wenn er in ihre schräg gestellten Augen blickte, in denen sich die Glut zu Bündeln sammelte, wenn ihre Lippen sich öffneten und die Reihe der kleinen weißen Zähne aufleuchtete, dann breitete er die Arme aus und war bereit, sich widerstandslos von diesem herrlichen Raubtier zerfleischen zu lassen.
Ein unbeschreibliches Gefühl war es, als Plejin die Uniform zum erstenmal anzog. Sie trug die Rangabzeichen eines Sergeanten, war ein wenig zu groß, was man aber mit ein paar Abnähern leicht beheben konnte, und veränderte Plejin vollkommen.
Er starrte in den Spiegel und mußte krampfhaft lächeln, als hinter ihm die Tscherskasskaja erschien in üppiger Nacktheit und die Arme um ihn legte. So sahen sie sich im Spiegel: die Herrliche und der lebende Tote.
»Niemand wird dich mehr anhalten, keiner wagen, dich zu fragen!« sagte sie mit ihrer bis ins Mark dringenden Stimme. »In dieser Uniform kannst du hingehen, wohin du willst. – Bist du zufrieden, mein Adlerchen?«
Plejin nickte. Worte hingen ihm jetzt im Halse fest. Welche Möglichkeiten, dachte er. Man kann es noch gar nicht denken! Wenn Stalin den Kreml verlassen würde, konnte er sich unter die Bewachung mischen,
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