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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wissen Sie von diesem Major Wolnow?«
    »Wenig. Man ist dabei, sein Privatleben aufzurollen. Wohnte allein bei einer Witwe. Ein stiller, höflicher Mensch. Keine Affären, keine Frauenbesuche. War ein großer Theaterfreund. Von einer Liebschaft ist nichts bekannt. Aber in der letzten Zeit hat er selten zu Hause geschlafen.«
    »Ein ganz Stiller!« sagte Radowskij und lachte trocken. »Das sind die Wölfe, die sich tagsüber als Lamm verkleiden. Setzen Sie da an, Smolka! Ihr Deutschenkomplex trübt Ihnen den Blick. Wird ein Eifersuchtsdrama sein. Erst Suppenteller ins Gesicht, dann ein unglücklicher Schlag …«
    »Genickbruch?« fragte Smolka gedehnt. »Von einer Frauenhand?«
    »Ich kenne Frauenhände wie Schraubstöcke, Igor Wladimirowitsch! – Was wollen Sie tun? Wolnows Bild in allen Zeitungen veröffentlichen?«
    »Wir werden schweigen«, sagte Smolka. »Großes Aufsehen vertreibt die Täter. Unsicher werden sie aber, wenn nichts geschieht. Sie wissen nicht, wieviel wir wissen.«
    »Und was wissen Sie?«
    »Nichts!«
    »Das ist eine gute Ausgangsbasis«, sagte Radowskij sarkastisch. »Warum sollen ausgerechnet Ihre deutschen Offiziere Major Wolnow erschlagen haben?«
    »Ein Zufall, Genosse General. Wolnow traf zufällig auf eine Spur, die ihn alarmierte. Er ging ihr nach, betrat die Wohnung und stand seinen Mördern gegenüber.«
    »Sie machen es sich kompliziert, Smolka!« sagte General Radowskij. »Geraten Sie nicht in Panik. Nicht jeder Hundedreck auf Moskaus Straßen ist von den Deutschen ausgestreut, damit wir ausrutschen …«
    Oberst Smolka bedankte sich, daß Radowskij ihm so geduldig zugehört hatte, und legte auf. Mit Radowskij über Probleme zu reden, war unergiebig. Er kam selbst mit einem eigenen, ihn erdrückenden Problem nicht ins reine: Die Freundschaft Stalins. Wen der Bär umarmt, der muß mit ihm tanzen, sagte ein russisches Sprichwort.
    Ob Radowskij manchmal daran dachte?
    Nachdem man sich umarmt und verabschiedet hatte, verließen sie einzeln und in Abständen von Minuten das Haus. Milda Ifanowna nahm ihren Einkaufskorb und stellte sich bei einem Fischgeschäft an, wo eine Sendung Stockfisch eingetroffen war. Sepkin ging unterdessen in der Sonne spazieren, setzte sich am Zoo auf die Bank, wo die Babuschkas gesessen hatten, und schielte auf den Busch. Dann erkannte er in einem Mann, der etwas abseits am Zaun lehnte und eine Prawda las, einen Geheimpolizisten und wußte, daß man Wolnows Leiche gefunden hatte. Er erhob sich, ging weiter, blieb am Eingang des Zoos stehen und betrachtete von weitem einen herrlichen Pfau, der auf einer Wiese herumstolzierte und sein Rad schlug, wenn Kinder ihn neckten.
    Dann stieg er hinab in die Metro-Station Krasnopresnenskaja und fuhr zurück zur Unfall-Klinik Sklissowski und seinem Verbrennungsofen Nummer 1.
    Die erste Zusammenkunft hatte wenig gebracht. Iwanow hatte als einziger eine Pistole und drei Handgranaten erhalten, die anderen hatten die vorhandenen Waffen durchgesehen. Man hatte sich verabredet, nun in dauerndem Kontakt zu bleiben, mit Milda als Zentrale. Jeden Abend sollte ein Lockruf hinausgehen, nicht mehr als eine Anwesenheitsmeldung.
    Nur wenn Milda dreimal eine gleiche Zahl nannte, wußte man, daß man sofort zusammenkommen mußte.
    Am Abend saßen sie alle wieder bei ihren ›Frauchen‹, lauschten auf die Nachrichten im Radio und freuten sich über die Siege der tapferen Brüder an den Fronten.
    Semjon Tichonowitsch Haller hatte in seinem Walzwerk einen großen Tausch vollziehen können: Er kam mit einem saftigen Bratenstück nach Hause. Seine Frau Antonina Nikitajewna fiel ihm um den Hals, und Wanda Semjonowna sagte stolz: »Unser Väterchen entdeckt immer etwas!«
    »Ist zwar nur das Stück einer alten Kuh, und krepiert ist sie auch, aber Danilo Arturowitsch hat mir versichert, sie sei gesund gewesen. Keine Sorge, sagte er, hatte nichts an der Lunge, nichts an der Leber, litt nicht an innerem Fraß. Vor meinen Augen fiel sie einfach um, glotzte mich an und stieß ihren letzten Seufzer aus. Ich sause sofort zum Nachbarn, der ein halber Kuhdoktor ist, er betrachtet sich das tote, liebe Vieh, reißt sein Maul auf, blickt in den Rachen, tritt ihm gegen den Bauch, der rohe Mensch, und stellt fest: Es müssen die Nerven sein! Läuft zurück, schwingt sich auf sein Fahrrad und holt den Genossen Landwirtschaftssekretär. Weiß ich, was man ihm berichtet hat? Er umkreist meine Kuh, sieht, daß sie Schaum vorm Maul hat – beim letzten Schnaufer

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