Sie waren zehn
Petrowskij dazwischen.
Und dann war da ein leiser Schrei, völlig unerwartet, wie ein Messer, das plötzlich das fein gesponnene Netz zerschneidet. Plejins Stimme – flatternd, fassungslos, aus den Fugen geraten, in einen kindlichen Ton zerfallend …
»Das ist nicht möglich … das ist nicht möglich … du lieber Gott …!«
»Was ist, Plejin?« brüllte Duskow. »Plejin, Kolka … was ist los?«
Durch das Spasski-Tor rollte der gleiche Wagen, in dem Stalin gerade nach rechts abgebogen war. Eine schwarze, gedrungene Limousine, das Fenster hinten heruntergekurbelt. Und auf dem Sitz, leutselig nach draußen blickend und den Menschen hinter den Absperrgittern zunickend, noch einmal Stalin.
»Ein zweiter Stalin …«, stammelte Plejin.
»Kolka!« Duskow riß den Mund auf, als könne er damit seine plötzlich heiß werdende Lunge abkühlen. »Kolka, nimm dich zusammen!«
Ein dritter Wagen! Das gleiche Modell. Die Offiziere salutierten. Hinter dem offenen Fenster grüßte Stalin mit breitem Lächeln und hob mit seiner charakteristischen Geste die Hand halbhoch in Kopfhöhe. Auf seinem eisgrauen Haar lag voll der Sonnenschein, als er sich nun sogar etwas vorbeugte.
»Ein dritter Stalin …«, rief der kleine Plejin verzweifelt.
»Nicht schießen! Nicht schießen! Es sind drei Stalins unterwegs!«
»Du versoffenes Hurenbengelchen!« brüllte Petrowskij auf seinem Motorrad. »Duskow, der Kleine scheißt sich doch nur in die Hose!«
»Der dritte Stalin biegt nach links ab!« Plejins Stimme zitterte zum Erbarmen. »Kommt auf mich zu … fährt jetzt an mir vorbei … winkt mir zu …«
»Feuer, Kolka!« brüllt Petrowskij.
»… der … der dritte Stalin … und aus dem Tor kommt ein vierter! Noch ein Stalin! Biegt zu mir ab … Wir haben … wir haben vier Stalins!«
»Sense!« sagte Petrowskij. »Er ist verrückt geworden.« Bevor Duskow noch reagieren konnte, überdeckte Iwanows Stimme alle Überlegungen:
»Posten Kathedrale. Das Begleitkommando – und dann der Wagen mit Stalin – zwei Wagen, dicht aufgeschlossen – kommen in meine Höhe. Zu weit, um anzugreifen. Du lieber Himmel, Kolka hat recht: an mir fahren zwei Stalins vorbei! Duskow, es kommen tatsächlich zwei …«
Plejins klägliche Stimme vom Roten Platz:
»Die beiden anderen Stalins biegen zur Gorki-Straße ab! Nicht schießen! Nicht schießen! Wer ist denn der richtige?«
Duskow starrte Sepkin und Boranow aus rotumränderten Augen an. Sepkin hockte hinter dem Reklameschild und schwitzte wie ein tauender Schneehaufen. Boranow hatte den Kopf weit in den Nacken geworfen und blickte in den wolkenlosen, blaßblauen, Hitze ausströmenden Himmel.
Petrowskij am Beklemenski -Turm meldete sich. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« brüllte er. Im Apparat hörte man das wilde Knattern seines Motorrades. »Sie kommen … es sind wirklich zwei. Duskow, zwei Stalins kommen auf dich zu … Oh, Scheiße!«
»Die beiden Stalins haben sich getrennt … der eine fährt rechts um das Museum herum, der andere biegt zum Arsenal-Turm ab.« Plejins kindlich gewordene Stimme. »Ich – ich melde mich ab. Ich habe nichts mehr zu tun …«
Duskow senkte den Kopf. Eine der größten Stunden der Weltgeschichte war zur Farce geworden. Die Wildgänse wurden ordinäre Spatzen. Lächerlichkeit besiegte die Geschichte. Stalin fuhr in vier Richtungen davon …
»Ende!« sagte Duskow matt. »Gott schütze unsere Heimat … Wir können es nicht mehr.«
Als die Kolonne an ihnen vorbeifuhr, die Begleitfahrzeuge, die Kradfahrer, die beiden schwarzen Limousinen, und mit der Geschwindigkeit heruntergehen mußten, um auf die Krim-Brücke einzubiegen, standen Duskow, Sepkin und Boranow am Straßenrand. Sie grüßten … Und aus den beiden Wagen, am offenen Fenster sitzend, winkte ihnen Stalin gut gelaunt und leutselig wie selten zu.
Zweimal hintereinander … Gespenstisch und doch Wirklichkeit.
Die drei blickten den Wagen nach, bis sie auf der Krim-Brücke waren, holten dann ihre Aktentaschen hinter der Plakatwand hervor und gingen langsam, wie fröhliche Genießer der Sommersonne, den Kropotkin-Kai herunter zum Kreml. Petrowskij raste ihnen entgegen, bremste und ließ sich vom Motorrad fallen.
»Was nun?« schrie er. Sein Gesicht war fremd in dieser Verzerrung. »Duskow, sag doch etwas!«
»Wenn wir heute abend nach Hause kommen«, sagte Duskow langsam, »sollten wir unseren Frauen Blumen mitbringen. Die Gewinner sind sie …«
Am 2. Oktober 1944 stand Iwanow plötzlich
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