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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Waffen abgeholt. Es gab nichts Besseres als die Brennkammer von Ofen I, und hier, wo er sonst seine amputierten Körperteile zu Staub zerfallen ließ, hatte Sepkin die Gewehre hineingeschoben. Diesen Ofen rührte keiner an, weder Zischlow, der Vorarbeiter vom Krematorium, noch die OP-Helfer, die für Nachschub sorgten. Sie lieferten ihre Kübel vor der Tür ab. In dem gekachelten Raum war Sepkin der alleinige Herr.
    Für Plejin und Iwanow sorgte Petrowskij. Er hatte im Traktorenwerk Winkel genug zur Verfügung, in denen man Handgranaten, Pistolen und kleine Spezial-MP verstecken konnte. Mit seinem geliehenen Motorrad donnerte er quer durch Moskau, traf Plejin und Iwanow am Seitenbau des Historischen Museums und verteilte die Waffen.
    Um 10 Uhr 20 stand Oberst Smolka mit heißen Händen vor General Radowskij und fühlte sich elend bis an die Zehenspitzen.
    Im Nebenzimmer hörten sie Stalin telefonieren, seine Stimme, ihr dunkles Timbre, durchdrang die Holztür. Er sprach mit Marschall Konjew von der 1. Ukrainischen Front, der mit seiner 13. und 60. Armee in einem weiten Zangenangriff in Richtung Lemberg vorgestoßen war und östlich Lemberg einige deutsche Divisionen eingekesselt hatte. Er war sich seiner Durchschlagskraft so sicher, daß er sogar weit östlich hinter Tarnopol zwei ausgeruhte Armeen in Reserve stehenließ und Exerzierdienst befohlen hatte.
    Stalins Stimme drückte helle Freude aus. Er nannte Konjew seinen lieben Bruder und überhäufte ihn mit Lob.
    »Ein Glück haben wir!« sagte Radowskij. »Igor Wladimirowitsch, man könnte fast wieder an Gott glauben! Stalin wird in bester Verfassung durch Moskau fahren. Führen Sie ein Tagebuch? Dann können Sie hineinschreiben: ›28. Juli 1944. Ich bin der erste und einzige Mann der Welt, dem es gelungen ist, Stalin als Schauspieler zu engagieren!‹ Nicht auszudenken, wenn Ihr Wahnsinnsspiel mißlingt …«
    Um halb elf trat die Wache aus dem Spasski-Turm. Die Kette der absperrenden Milizionäre und Gardisten straffte sich. Hinter den eisernen Absperrgittern drängte sich das Volk. Es waren nur ein paar hundert Menschen. Die meisten waren zum Gorki-Park gezogen, um dem Paradeschauspiel zuzusehen. Mehrere Offiziere erschienen in der Durchfahrt und bildeten ein Spalier.
    Der kleine Plejin drückte sein Funkgerät an die Lippen. Sie hatten jetzt auf Rundspruch geschaltet; jeder der sechs hörte mit. Plejin stand am Lenin-Mausoleum und konnte sehr gut zur Ausfahrt blicken. Wenn Stalin gleich mit seinem Wagen herausfuhr, war er für ihn deutlich sichtbar, aber zu entfernt, um ihn mit einer Handgranate oder seiner kleinen MP zu erreichen.
    »Wache steht!« sagte Plejin leise. Er trug natürlich seine Milizuniform, und wer ihn so in das Gerät sprechen sah, mußte annehmen, daß er mit anderen Milizposten Verbindung hielt. Er stand hier auf der sichersten Position des Unternehmens. Er würde überleben.
    »Iwanow?« fragte Duskow.
    »Bereit.«
    »Petrowskij?«
    »Sitze startbereit im Sattel.«
    »Kein Risiko eingehen, Luka!«
    »Bin ich ein Stiefelpisser?« sagte Petrowskij beleidigt.
    Der kleine Plejin meldete sich. »Drei Vorauskommandos! Offene Wagen mit Scharfschützen. Sechs Kradfahrer …«
    »Verstanden!« sagte Petrowskij. »Werde wie eine Hornisse hineinstoßen!«
    »Erst Lage abwarten!« rief Duskow dazwischen.
    Er stand mit Boranow und Sepkin an der Krimbrücke, verborgen hinter einer Propagandawand aus Holz, auf der riesig das Foto von Stalin glänzte und einer der weisen Sprüche des ›Vaters aller Russen‹. Ein Platz ohne Beispiel: während Stalin mit verlangsamter Fahrt an seinem großen Foto vorbeifuhr, würde er in das Feuer dreier Spezialgewehre geraten. Sein Bild auf der Plakatwand würde Zeuge seines Todes sein. Man sage nicht, das Schicksal sei humorlos …
    »Er kommt.« Der kleine Plejin sagte es so nüchtern, daß Duskow verblüfft zu Boranow blickte und ihm zunickte. Sepkin, ganz Ruhe, ganz Konzentration, kontrollierte noch einmal sein Gewehrschloß. Bloß keine Ladehemmung! Das Schnellfeuer muß heraushämmern, ehe man drüben überhaupt begreift, was geschehen ist.
    »Er sitzt in einem Wagen mit offenem Fenster!« sagte Plejin. »Ich sehe ihn ganz deutlich. Er lächelt! Offenes Fenster!«
    »Verstehe!« Duskow schüttelte den Kopf. »Er macht sich selbst zur Schießscheibe.«
    »Wagen biegt nach rechts ab, Richtung Kathedrale.«
    »Sehe ihn kommen!« meldete sich Iwanow. »Vorweg der Begleitschutz.«
    »Meine Kiste läuft!« rief

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