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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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soll weg? Weg von uns? Sagt das Bataillon? Die spinnen wohl …
    Dietrich Semper ging zum Funkgerät und stülpte die Kopfhörer über. Mit dem Bataillon, vier Kilometer nördlich, und dem Regiment, in der Nähe von Kowel, hatte er direkte Sprechverbindung.
    Am anderen Ende der Leitung war der Bataillonskommandeur selbst am Apparat, Hauptmann Hatterscheidt .
    »Wie heißt Ihr Funker, Dietrich?« fragte er, als sich Semper meldete. »Ich habe alles mitgehört. Ich drehe nicht durch! Bringen Sie einen Bericht über diesen Funker mit! Was machen Sie gerade?«
    »Ich bereite mich vor, einen gekochten Schweinebauch, eine gegrillte Schweinelende und eine Kopfsülze zu begutachten, Herr Hauptmann …«
    »Darf ich jetzt fragen: Sind Sie betrunken, Dietrich?«
    »Wir haben einen Partisanen gestellt. Eine Sau von zwo Komma zwo Zentnern! Ich lasse Ihnen einen Braten 'rüberbringen, Herr Hauptmann …«
    »Sie bringen ihn selbst, Leutnant Semper.« Wenn Hatterscheidt statt des vertrauten Dietrich das steife Leutnant Semper gebrauchte, war es dienstlich. »Die Division hat einen Befehl vom OKW weitergegeben: Sie müssen sofort nach Berlin! Eilstufe I. Ich spinne also nicht … höchstens das OKW! Kennen Sie Eberswalde?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Hier steht: Offiziersreitschule.«
    »Das OKW spinnt also wirklich …«
    »Wir können's nicht ändern, Dietrich. Kommen Sie zum Bataillon. Sie können meinen Kübel bis zum Regiment benutzen. Es wird sich alles aufklären. Vielleicht ist ein anderer Semper gemeint. Und – Dietrich – nicht meinen Schweinebraten vergessen!«
    Leutnant Semper bekam von der schönen Sau keinen Bissen mehr ab. Aber Obergefreiter Hölzerlin rief ihm nach: »Herr Leutnant, ich hebe Ihnen aan Glas Sulze auf. Und a schöne Rotwurscht ! Bis nachher!«
    Nachher gab es nicht. Es war auch kein anderer Leutnant Semper gemeint.
    Mit der Abfahrt im Kübel von Hauptmann Hatterscheidt gab es keinen Dietrich Semper mehr.
    von Labitz, Bodo
31 Jahre
Major
    Kinder kriegen, viele Kinder, gesunde Kinder, nordische Kinder, Garanten der Herrenrasse, zukünftige Führer der Welt, Genies aus dem Zusammenschluß germanischer Gene – das war schon immer das Ziel nationalistischer Bevölkerungspolitik. »In unseren Kindern manifestiert sich die Ewigkeit –« hatte einmal jemand gesagt. Ob Rosenberg oder Himmler oder gar Baldur von Schirach, der erste Reichsjugendführer, das war unwichtig. Man hatte aber auch gesagt: »Die Kinder von heute sind die Feinde von morgen«, aber das galt nur für alle, die nicht deutsch waren. Eine junge, deutsche Mutter, ein wehrhafter deutscher Vater – was kann dieses Ideal völkischer Kraft noch übertreffen?
    An der Bahnlinie Kischinew - Odessa, südlich von Tiraspol in der Süd-Ukraine, keine siebzig Meter von den vorgeschobenen sowjetischen Schützenlöchern entfernt, hatte der Stabsintendant der 6. Armee nach mehrmaligem Ermahnen eine rauschende Feier ermöglicht. Zehn Dosen Fleisch waren mit dem Nachschub zum Bataillon gekommen, zwanzig Flaschen Kognak und zwei Sandkuchen, frisch aus der Divisionsbäckerei. Mit Zuckerguß hatten die Bäcker auf die Kuchen gespritzt: ›Ein Heil dem neuen Kommandeur in 30 Jahren!‹
    Major von Labitz war gerührt. Er war von der Feier überrascht worden. Seine Offiziere hatten bis zuletzt dichtgehalten und erst die Tür zum ›Festsaal‹ geöffnet, als alles empfangsbereit war. Festsaal – das war eine ausgeräumte Scheune, aber jetzt gab es weißgedeckte Tische, Stühle, geschliffene Gläser, Porzellangeschirr, Bestecke. Ordonnanzen in blendendweißen, gestärkten Drillichjacken servierten das Festmenü: Ochsenschwanzsuppe, Gulasch mit Klößen, Götterspeise (genannt Wackelpeter) mit Waldmeistergeschmack und Vanillesoße. Ein fürstliches Mahl für einen jubelgerechten Anlaß: Major Bodo von Labitz war Vater geworden.
    Das erste Kind. Ein Sohn! William Heiko von Labitz. Es war der Mutter, Enrica von Labitz, geborene Gräfin von Saalsfels , gelungen, trotz Überlastung des gesamten Funkverkehrs ein Telegramm an die Heeresgruppe A, Generalfeldmarschall von Kleist, abzusetzen, das auch wirklich eintraf: ›Gesunder Sohn geboren, 3.856 Gramm schwer, 54 cm groß. Mutter und Kind wohlauf. Es lebe Deutschland!‹
    Vielleicht war es der letzte Satz, der die Heeresgruppe animierte, die Nachricht, die kriegstechnisch und taktisch unwichtig war, weiterzuleiten. Bei Major von Labitz löste sie jedenfalls hellen Jubel aus. Ein strammer Junge! Etwas spät –

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