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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geschütze … das sind einhundertvierzigtausend todspeiende Rohre! Dazu die Raketenbatterien, die ›Stalinorgeln‹, die Minenwerfer, die Gewehrgranateneinheiten. Wer diese Zahlen begreifen konnte, hatte für die geschwächten deutschen Divisionen nur noch Entsetzen übrig. Hunderttausende würden nicht einmal mehr die polnische Grenze erreichen …
    Das änderte aber alles nichts an der Tatsache, daß der Spähtrupp mit Leutnant Semper im Erdloch eines einsamen Bauernhauses bei Kowel eine versteckte Sau gefunden hatte. Der Obergefreite Sepp Hölzerlin band dem Schwein die Schnur von der Schnauze, und jetzt quiekte und schrie es ohrenbetäubend, wollte aus Hölzerlins Klammerbeinen heraus und versuchte sogar zu beißen.
    »Dös is eindeutig, Herr Leutnant!« brüllte der Sepp. Sein Gesicht leuchtete. Sakra, frischer Speck mit Sauerkraut! Und Blut- und Leberwürst' , die wollte er auch machen. Und dann der Schinkenbraten! »Widerstand. Beleidigung der deutschen Wehrmacht! Hörn S' dös an! A renitente Sau! Koa Holzhackerbua schreit so umeinand !«
    Leutnant Semper nickte. Zwei Mann schleppten das Schwein weg. Außer Sichtweite mußte es schon einen Schlag auf den Kopf bekommen haben, denn das grelle Gequieke hörte plötzlich auf. Nur der Bauer betete zu einem Heiligen, und die Frauen jammerten.
    »Ich tue es ungern«, sagte Leutnant Semper in fließendem, akzentfreiem Russisch. Sofort schwieg der Bauer. Die Frauen stellten schlagartig das Heulen ein. Entgeistert starrten sie den deutschen Offizier an.
    »Gospodin Leutnant –«, stammelte der Bauer. »Sie sprechen unsere Sprache?«
    Dietrich Semper winkte ab. Er wollte darüber keine Diskussionen.
    »Ich wollte nur erklären, daß die Beschlagnahme gerecht ist! Seid froh, daß ihr nicht bestraft werdet, sondern daß dieses ›schwarze‹ Schwein lediglich abtransportiert wird. Hört mit dem Heulen auf und freut euch, daß ihr weiterleben könnt.«
    »Wovon sollen wir jetzt leben, Gospodin Leutnant?« stotterte der alte Bauer.
    »Von dem, was ihr rundherum versteckt habt.« Leutnant Semper schüttelte den Kopf und lächelte schwach. »Ihr Gauner, ich kenne genug von euren Tricks! Ich habe als Junge selbst Erdhöhlen angelegt! Das mit dem Schwein war euer Fehler! So etwas Wertvolles versteckt man nicht in Hausnähe !«
    »Gospodin Leutnant …«
    Semper wendete sich ab und stapfte seinem Spähtrupp nach. Nach hundert Metern hatte er ihn eingeholt. Obergefreiter Sepp Hölzerlin trug die Sau auf der Schulter. Er hatte sie betäubt und lauschte ab und zu auf ihren Herzschlag. Einen Schocktod wollte er vermeiden, er brauchte das Blut für Preßsack und Rotwurst.
    Ein Schwein für dreiundvierzig Mann ist nicht viel. Aber wenn auch für jeden nur ein Klacks im Kochgeschirr übrigblieb – ein Feiertag blieb's trotzdem nach dem Fraß, den die Feldküche lieferte. Der Nachschub war mies. In der Etappe saßen die Zahlmeister und Kriegsverwaltungsräte dick und stur auf ihren vollen Vorratslagern und ließen zur kämpfenden Truppe nur, was aufs Gramm genau berechnet war. Bei jeder Lieferung fluchten die Fouriere, brüllten die Küchenfeldwebel ohnmächtig in ihre Kessel und schworen, den Fettärschen in der Etappe und Verwaltung das Loch quer aufzureißen, wenn man nur einen von ihnen erwischen könnte.
    Auch bei der 6. Kompanie von Leutnant Dietrich Semper gab es Krach. Der Küchenbulle wollte das ganze Schwein durch seinen Kessel jagen, der Hauptfeldwebel, als Spieß die Mutter der Kompanie, plädierte lauthals für einen knackigen Braten, und Obergefreiter Hölzerlin bestand darauf, Preßsack, Rotwurst, Leberwurst und Schweinskopfsülze zu fabrizieren.
    »So a Sulzen, dös is an Himmelreich!« schrie er herum. »Herr Leutnant, der Küchenbulle will mir ma Sulzen wegnehmen!« Man einigte sich auf Dreiteilung der Sau. Die Feldküche bekam einen Teil, der sich für Erbsensuppe und Sauerkraut eignete. Der Spieß durfte an vier Eisenstangen seine Braten grillen. Oberschnäpser Hölzerlin werkelte in Aluminiumtöpfen der Feldküche herum und kochte seine Sülze und Würste. Aber bevor Semper bei allen drei Sau-Abteilungen sein Urteil und sein Lob abgeben konnte, winkte der Funker mit beiden Händen.
    »Herr Leutnant – für Sie! Das Bataillon. Die drehen durch! Sie sollen weg von uns …«
    Im Augenblick war es still im Lager. Das Schwein, Mittelpunkt des Tages, war unwichtig geworden. Es dampfte im Kessel, brutzelte an den Spießen und gluckerte im Sülzentopf .
    Unser Leutnant

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