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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trotzdem glaubt, dann haben sie dort in Berlin einen Wurm im Hirn!«
    »Wann fährst du?« fragte der Alte.
    Gerettet, dachte er. Mein einziger Junge – gerettet! Und wenn die Russen wirklich durchbrechen – bis Eberswalde kommen sie nie. Nie! Spätestens an Ostpreußens Grenze werden sie vernichtet. Das ist Ehrensache! Nie wird ein Rotarmist seinen Fuß auf urdeutschen Boden setzen!
    »Der Befehl lautet: Unverzüglich!« Asgard faltete das Telegramm zusammen und steckte es in seinen Reitrock. »Mir stehen alle Transportmittel zur Verfügung. Das will ich ausprobieren!«
    Ein kurzer Abschied war es. Nicht traurig, sondern voll Freude. »Vater, vergiß nicht: Evakuiere noch diese Woche. Fang sofort damit an!«
    »Schon gut, mein Junge. Ich tue es.«
    »Ich werde mich von Eberswalde aus erkundigen …«
    »Natürlich. Du wirst mit dem alten Kuehenberg zufrieden sein.«
    Asgard Kuehenberg erkundigte sich nicht. Dazu hatte er gar keine Zeit mehr.
    Und Elmfried Kuehenberg evakuierte Gut Thernauen nicht. Drei sowjetische Soldaten erschlugen ihn mit ihren Gewehrkolben. Unter der großen Platane war's, neben dem Grabhügel von Asgards Mutter. Um Kuehenberg herum brannte alles nieder. Das Herrenhaus, die Ställe, die Scheunen, das Gestüt, die Remisen. Zweihundertfünfzig Jahre fleißiger Arbeit.
    Semper, Dietrich
22 Jahre
Leutnant
    »Schwein muß der Mensch haben … und wir haben ein Schwein!«
    Bewundernd standen neun deutsche Landser vor einem Erdloch, aus dem ihnen ein verhaltenes Grunzen entgegenscholl. Der russische Bauer, dessen einsam gelegenes Haus sie gerade durchsucht hatten, rang die Hände, jammerte, rief die Heiligen an, raufte seine grauen Haare, baute seine Frau, drei Töchter und zwei Schwiegersöhne um sich auf und ließ sie im Chore heulen … aber es half nichts. Wenn ein deutscher Spähtrupp 1944 in Rußland ein lebendes Schwein entdeckt, sind die wie eine Sturzflut zusammenfließenden Magensäfte stärker als jede Moral.
    Der Obergefreite Sepp Hölzerlin kroch in das Erdloch und zog das Schwein an den Hinterbeinen heraus. Es wollte herzerweichend quieken, jedoch das hatte man ihm verwehrt. Die Schnauze war ihm mit einem groben Strick umwickelt, aber Schweine können auch durch die Nasenlöcher grunzen. Das haben sie mit den Menschen gemeinsam.
    Der russische Bauer entschloß sich, auf die Knie zu fallen. Die sechs Frauen um ihn herum folgten, wie vom Blitz gefällt.
    »Germanskij nix machen tott !« schrie der Bauer. »Wir tott . Hungääär …«
    »Dös is a kapitale Sau!« meldete der Obergefreite Hölzerlin . Er hatte das Schwein zwischen seine Beine geklemmt und machte eine stramme Meldung. »Herr Leutnant, sie hoat Widerstand gleistet, dös Sauviech ! Dös is a feindliche Handlung.«
    Das Gebiet bei Kowel, südlich der Moore von Polesje , war eine Gegend, die man ausgelaugt nennen konnte. Dreieinhalb Jahre deutscher Besatzung hatten das im Sturmschritt überrannte Land nicht wieder aufgebaut, sondern ausgesaugt. Die verbrecherische Politik der Rassenkundler in der NSDAP und der in den besetzten Gebieten ›aufräumenden‹ SS, die alles, was russisch war, als Untermenschen bezeichnete, hatte das Land leergefegt, die Menschen, die den Deutschen zuerst freundlich gegenübergetreten waren, maßlos enttäuscht und verbittert und im Laufe der Zeit dazu getrieben, still zu dulden, aber in dieser Stille, wo es nur möglich war, passiven Widerstand zu leisten.
    1943, als die Sowjets das große Aufrollen der deutschen Front begannen, entwickelte sich auch um Kowel herum der aktive Widerstand der Partisanen, der seinen Höhepunkt jetzt erreichte, in den ersten Junitagen 1944.
    Politische Kommissare, die nachts hinter den deutschen Linien absprangen, vor allem in die ›kleine Frontnase Kowel‹, und für den Tag X den Aufstand der Bauern bis zur polnischen Grenze durchorganisierten, hatten gute Nachrichten mitgebracht. Das Elend war bald vorbei. Von Bobruisk bis Wladimir Wolynskij südlich von Kowel, also im ganzen großen Frontbogen Weißrußlands, standen zehn sowjetische Armeen sturmbereit in den Gräben: Die Weißrussische Front unter Generaloberst Rokossowskij! Auf der ganzen Breite des Mittelabschnitts warteten allein fünfundvierzig Panzer-Brigaden und pro Kilometer Front zweihundertfünfzig Geschütze aller Kaliber auf den Befehl: Nach Westen! Den gesamten Oberbefehl hatte Marschall Shukow übernommen. Eine Frontlänge von fünfhundertsechzig Kilometern, und pro Kilometer zweihundertfünfzig

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