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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aber er …«, er zeigte mit dem Daumen zum Inneren Sperrbezirk –, »der Gröfaz glaubt nicht daran! Auch jetzt noch nicht, obwohl Rundstedt bei ihm war.«
    »Eine echte Tragödie, was?«
    »Wie man's nimmt.« Renneberg brachte seinen Freund an die Tür. »Was wirst du nach dem Krieg anfangen?«
    »Nach dem …?« Der Oberstleutnant blickte Renneberg irritiert an. »Ich hoffe einmal General zu werden. Du nicht?«
    »Wir werden uns glücklich schätzen, wenn es zum Generalvertreter reicht. Für Margarine oder Klopapier, Shampoo oder Feuerversicherungen. Mach's weiter gut, Junge!«
    Am Abend noch flog Oberst von Renneberg mit einer Kuriermaschine nach Berlin zurück. Hitlers Handlungsvollmacht hatte er in seiner angeketteten Aktentasche.
    Sofort nach der Landung stieg er in einen wartenden Adlerwagen um und fuhr noch in der Nacht nach Eberswalde. Bei strahlendem Mondschein traf er ein. Die ländliche Ruhe, der Geruch von frischer Heumahd, die heute sehr früh nach einem regnerischen Frühling eingesetzt hatte, der Duft der ersten Rosen in den Vorgärten, die scheinbare Unantastbarkeit einer abgeschirmten Welt – das alles erweckte sogar bei ihm längst vergessene romantische Gefühle.
    Er ließ den ›Adler‹ halten und ging, sehr zur Verwunderung des Fahrers, eines Unteroffiziers mit dem silbernen Verwundetenabzeichen, einige Meter von der Straße weg in die Felder hinein und sog tief die von vielen Düften geschwängerte Nachtluft ein.
    Wie schön ist Deutschland, dachte er bitter. Und wie wird es in ein paar Monaten hier aussehen? …
    Als er wieder einstieg, war die sentimentale Regung vorbei. Nach einer Viertelstunde tauchte die Offiziersreitschule Eberswalde vor ihnen auf. Die Gebäude lagen im Mondschein und schliefen. Nur im Flügel E war Licht – in genau vierzehn Fenstern. Rennebergs Anruf aus Berlin hatte Oberstleutnant Hansekamm alarmiert. Die zehn Offiziere waren aus dem Bett geholt worden und warteten in korrekter Uniform im Lehrzimmer. Hansekamm begrüßte Renneberg unten im Flur.
    »Alles klar?« fragte er kurz.
    Renneberg nickte. »Alles klar. Der Führer sagt ja.« Er zeigte mit dem Daumen nach oben. »Wissen sie schon etwas?«
    »Nichts. Aber sie ersticken in Latrinenparolen.«
    »Kommen sie in Wirklichkeitsnähe?«
    »Keiner. Wer könnte so etwas denken?«
    »Jetzt können wir sie erlösen.« Renneberg stieg die Treppen hinauf. Im Schulungszimmer mit der riesigen Moskaukarte standen die zehn und starrten auf die Tür.
    »Jetzt bekommt jeder von uns ein Küßchen von Canaris«, sagte Solbreit, die Kodderschnauze.
    »So, wie ein Spinnenweibchen sein Männchen nach der Paarung totbeißt«, ergänzte Kuehenberg.
    »Paarung!« Semper verdrehte die Augen.
    Die Tür flog auf. Mit forschem Schritt trat Oberst von Renneberg ins Zimmer. Oje, ist der munter um 3 Uhr morgens, dachte von Ranowski. Das ist also der Kopf vom Ganzen. Der liebe Kamerad, der uns das alles eingebrockt hat …
    »Renneberg«, stellte der Oberst sich vor. Er hatte sich hinter dem schmalen Pult aufgebaut. Im Schein der starken Deckenlampen geschah etwas Unheimliches: Renneberg und die Karte von Moskau und Umgebung hinter ihm verschmolzen zu einer Einheit. Es war, als sei Renneberg aus der Karte herausgetreten. »Meine Herren, ich begrüße Sie und freue mich, Sie so wohlauf zu sehen. Ich möchte Sie von Ihren Mutmaßungen erlösen und Ihnen in ein paar kurzen Sätzen sagen, weshalb man Sie hierher gebeten hat.«
    Gebeten ist gut, dachte von Labitz. Man hat uns mit Raketen nach Eberswalde geschossen.
    »Ich komme soeben vom Führer«, sagte Renneberg betont und doch sehr sachlich. Keinerlei Dramatik lag in seiner forschen Stimme. »Ich habe die Erlaubnis zu unserem Unternehmen mitgebracht: Sie, meine Herren, werden in Kürze Stalin töten.«
    Am 6. Juni 1944, um 2.00 Uhr morgens, schwebten zwischen Montebourg und Caretan, zwischen Caen und Cabourg hinter dem unbesiegbar geltenden deutschen Atlantikwall von Cherbourg bis Caen, viele tausend Fallschirme vom Himmel. Die Nacht war ein einziges Dröhnen von Bombern und Spitfire-Jägern, von schweren, klobigen Transportmaschinen und pfeilschnellen Begleitschutz-Flugzeugen. Lautlos dagegen, von weitgespannten Flügeln getragen, kreisten Hunderte von Gleitflugzeugen und Lastenseglern über der Normandie und landeten auf den Feldern westlich des Flusses Vire und östlich des Flusses Orne: vollbepackt mit Material, leichten Kanonen, Granatwerfern, Munition, Verpflegung, Sanitätsmaterial,

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