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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ausgerufen hatte – diese Augen waren trüb, fast verhangen.
    Rundstedt hat ihn geschlaucht, dachte Renneberg nicht ohne Schadenfreude. Mein lieber Führer, das Jahr 1944 wird dein letztes sein! Ob du das tief im Inneren ahnst? Jedes Tier, selbst das wildeste, hat einen solchen Instinkt … »Der Feldmarschall« – Hitlers Blick traf Keitel, der an die Seite von Renneberg getreten war – »hat mir berichtet, was Sie mitbringen! Tragen Sie vor!«
    Hitlers Stimme. Im Rundfunk klingt sie dunkler, dachte Renneberg. Aber das rollende R ist da, auch das Abgehackte, Zuschlagende. Eine Stimme wie ein Biß. Sie hält einen fest, sie dringt ein.
    Renneberg löste die Aktentasche von ihrem Kettchen. Dann stellte er sie vor Hitler auf den Kartentisch. So einfach kann das also sein, durchfuhr es ihn. Wenn ich jetzt statt eines Aktenstückes eine Bombe herausholte, würde sich die Welt verändern. Aber ich habe nur einen dünnen Schnellhefter bei mir … Hoffentlich hat Stauffenberg auch einmal so unverschämtes Glück und kann seine Aktentasche vor Hitler auf den Tisch stellen …
    Hitler erhob sich. Die Ordonnanz, von Keitel mit einem herrischen Blick bedacht, verließ schnell den Lageraum . Jetzt war man wirklich unter sich. Hitler, Keitel, Jodl und von Renneberg.
    Hitler wartete, bis Renneberg den Schnellhefter herausgenommen hatte, und nahm ihn mit einem Ruck an sich. Er enthielt nur zwei Seiten: eine Namenliste und eine Aufstellung von Orten. Hitler betrachtete die beiden Seiten erstaunt und blickte dann Renneberg an. Die müden Augen wetterleuchteten plötzlich.
    »Sind Sie verrückt?« fragte Hitler schroff.
    »Mein Führer.« Renneberg wußte nicht, ob er stramme Haltung oder normale Stellung annehmen sollte. Er entschloß sich für bequemeres Stehen. »Generalfeldmarschall Keitel hat in Grundzügen alles erklärt. Der außergewöhnlichen Geheimhaltung wegen existieren keinerlei schriftlichen Unterlagen über das ›Unternehmen Wildgänse‹.«
    »Der Name Wildgänse gefällt mir«, warf Hitler ein. »Warum Wildgänse?«
    »Viele ziehen in den Norden, mein Führer, aber nicht alle kehren zurück …«
    »Hm!«
    Renneberg atmete durch die Nase. Standhalten, befahl er sich. Dieser Hitlerblick könnte entnerven.
    »Weiter!«
    »Darf ich erläutern, mein Führer! Die Großlage erfordert in militärischer Sicht auch eine Initiative, die sich außerhalb aller Normen bewegt.«
    Hitlers Augen verengten sich. Jodl starrte Renneberg entgeistert an und wandte sich dann zu Keitel. Was ist denn das, fragte dieser Blick. Ein kleiner Oberst wagt es, dem Führer zu sagen, daß die Gesamtlage beschissen ist?! Ist der Mann verrückt?! Wen haben Sie denn da protegiert?!
    Renneberg redete mutig weiter: »Der Plan Wildgänse zielt darauf ab, mit einem Schlag nicht nur die Frontlagen, sondern das gesamte Weltbild zu verändern. Der Schock, der bei Gelingen des Unternehmens entstehen wird, führt zu einer Lähmung Rußlands, der sich in schneller Folge Auflösungserscheinungen anschließen werden. Mit dem Ausfall der Ostfront aber haben auch die Alliierten sowohl im Südosten wie auch bei einer Invasion keinerlei Chancen mehr. Allein unser moralischer Gewinn wird den Gegner demoralisieren. Die Planungen, mein Führer, sind von uns bereits so weit vorangetrieben worden, daß die zehn Offiziere – Sie halten die Liste in den Händen – bereitstehen und in aller Kürze für Wildgänse eingesetzt werden können. Die andere Liste, mein Führer, bezeichnet die Einsatzstellen.«
    Hitler warf den Schnellhefter auf den Tisch. Keitel schob eine von der Kartenzentrale bereitgelegte Karte von Moskau und Umgebung vor Hitlers Augen. Hitler beugte sich über sie. Die typische Haltung, dachte Renneberg, wie man sie auf Fotos sieht. Die Hände aufgestützt, den Kopf vorgestreckt, gebeugt und die Schultern etwas hochgezogen. Der › Gröfaz ‹ – der Größte Feldherr aller Zeiten …
    Hitler starrte auf Moskau und wischte mit der rechten Hand weit über die Karte. »Das ist doch Wahnsinn, was Sie da vortragen, Herr Oberst!« schnarrte er.
    »Jawohl, mein Führer. Aber es ist durchführbar.«
    »Es wird nie gelingen!«
    »Man sollte es versuchen.«
    »Wenn der Plan gelingt …«
    »… haben wir den Krieg gewonnen!« sagte von Renneberg.
    »Wenn er mißlingt?«
    »Kein Feldherr geht in eine Schlacht mit dem Gedanken, er könne sie verlieren.«
    O Himmel, signalisierte Jodls Blick zu Keitel. Jetzt haben wir gleich das große Gebrüll, 2. Teil. Als

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