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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Katastrophe, meine Herren! Obwohl selten anwesend, hat Reichsmarschall Göring selbst die 3. Luftflotte übernommen. Aber was heißt Luftflotte?« Renneberg blickte auf sein Papier. Neben Eisenhowers Tagesbefehl enthielt es handschriftliche Notizen. »Ich nenne Zahlen: Wir haben zur Verfügung an einsatzfähigen Maschinen: neunzig Bomber und siebzig Jäger! Die Gegenseite, nach Berichten unserer V-Leute aus England: dreitausendeinhundert Bomber und fünftausendneunundvierzig Jäger. Hinzu kommen rund fünftausend Transportflugzeuge …«
    »Mein Gott!« sagte Kuehenberg laut. »Weiß das der Führer?«
    »Wir haben es gemeldet. Hirngespinste, hieß es! Der Reichsmarschall war geradezu sauer.« Renneberg blickte kurz auf. Er sah in verstörte Gesichter.
    »Ich kann Ihnen weitere Schocks leider nicht ersparen, meine Herren«, fuhr er fort. »Die Marine: Wir haben an Frankreichs Küste stationiert und einsatzbereit: Schlachtschiffe – keins. Kreuzer – keinen. Zerstörer: drei. Schnellboote: sechsunddreißig. U-Boote: vierunddreißig. Die Invasionstruppen: Schlachtschiffe: sieben, Kreuzer: siebenundzwanzig, Zerstörer: einhundertvierundsechzig, Landungsfahrzeuge aller Art und Konstruktionen, also auch bewaffnet, schätzungsweise über sechstausend Stück!«
    »Gott mit uns!« sagte Labitz dumpf.
    »Selbst das nicht!« Renneberg klopfte auf den Tagesbefehl Eisenhowers. »Auch Gott ist eingespannt. Den Segen des Allmächtigen Gottes hat Eisenhower bereits erfleht. – Wir kommen überall zu spät! – Doch weiter zu den Zahlen: Heute morgen haben nach grober Schätzung über sechshundert Kriegsschiffe den Atlantikwall sturmreif geschossen. Die erste Welle, die an Land ging, umfaßte vierzig alliierte Divisionen! Als Gesamtoffensivtruppen stehen nach unseren Informationen sechsundachtzig Divisionen zur Verfügung. Achthunderttausend Mann stehen bereits in England, Gewehr bei Fuß. In dieser Stunde schwimmen bereits neue Soldaten und Material über den Kanal an die Invasionsfront. Sie können fast ungehindert transportieren. Die deutsche Luftwaffe ist ausgeschaltet, eine deutsche Marine gibt es hier praktisch nicht mehr, die deutschen Küstenbatterien haben anderes zu tun, als die See zu beobachten, sie kämpfen ums Überleben. Der Feind liegt vor ihren Rohren am Strand oder nähert sich von hinten den Stellungen. – Das ist die Lage im Westen seit heute morgen zwei Uhr.« Renneberg trank seine Tasse Kaffee mit Genuß. Dann erhob er sich.
    »Mir ist der Appetit vergangen«, sagte Semper laut.
    »Mir schon in der Nacht!« Detlev Adler sprang von seinem Stuhl auf. »Als Sie uns zu Mördern Stalins ernannten, Herr Oberst, lief die Invasion schon!«
    » Aber ich wußte das nicht. Die erste Absprungwelle war gerade abgesetzt. Erst gegen vier Uhr früh erhielt ich den ersten Anruf aus Berlin. Seitdem sitze ich am Telefon.« Er ging an den elf Offizieren vorbei zur Tür. »Wenn ich die Herren in den Schulungsraum bitten darf. Herr Hansekamm wird die Lage im Osten erläutern.«
    Ein paar Minuten später saßen die zehn wieder vor der riesigen Moskaukarte. Oberstleutnant Hansekamm stand hinter dem kleinen Pult, Renneberg hockte auf einem Schemel seitlich der Karte. Irgendwo krähte ein Hahn. Durch das offene Fenster klang Pferdegewieher. Ein schöner, sonniger Vormittag. Die Baumkronen wiegten sich im leichten Wind. Gekräuselte Wölkchen, wie zerzupfte Wattebäuschchen, trieben über den hellblauen Himmel.
    Hoffentlich wacht Vater jetzt auf, dachte Kuehenberg. Die Invasion muß auch für ihn ein Alarmsignal sein. Vater, evakuiere Thernauen! Es geht jetzt von allen Seiten los.
    Hansekamm gab Kuehenbergs Gedanken recht. Er sagte mit dozierender Stimme »Es ist als sicher anzusehen, daß die Invasion den Beginn einer großangelegten Vernichtungsoffensive aller Verbündeten an allen Fronten darstellt. Der nächste Schlag wird von uns an der Ostfront erwartet, und hier vor allem im Mittelabschnitt. Wir rechnen damit in der zweiten Junihälfte. Das wäre taktisch das richtige Konzept: Bis Ende Juni haben die Invasionstruppen sich in der Normandie ausgebreitet, das Interesse der deutschen Heeresführung wendet sich immer mehr der Westfront zu, die ruhige Ostfront bleibt, trotz alarmierender Beobachtungen, zweitrangig. Da bricht der Rote Sturm los! Plötzlich und mit der gleichen Urgewalt, mit der die viertausend Schiffe mit Soldaten, Panzern und Kanonen plötzlich vor unserer Kanalküste auftauchten. Von der Abwehr, Abteilung ›Fremde

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