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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ab?«
    »Morgen nacht zwischen 2 und 3 Uhr. Wenn alles glattgeht.«
    »Wir denken an Sie!« sagte Kraskin. »Wir werden alle an unseren Fenstern stehen und in die Nacht blicken. Ob es Ihnen freilich helfen wird, Genossin.«
    »Es hilft mir viel.« Sie versuchte ein herzerweichendes Lächeln. »Ich werde dann nicht so allein sein.«
    »Und wie erfahren Sie, wann wir abgesprungen sind?« fragte Bunurian.
    »Überhaupt nicht«, antwortete Renneberg an Stelle von Milda. »Erst wenn der erste von Ihnen sich bei ihr meldet, weiß sie, daß Wildgänse ihr Ziel erreicht haben. Ihr erstes Ziel.«
    »Und wenn sich keiner meldet?« Es war eine bange Frage des kleinen Plejin.
    »Unmöglich!« Renneberg rauchte jetzt eine Zigarre und blickte den Ringen nach, die er mit runden Lippen erzeugte. »Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung unmöglich. Bei zehn Mann müssen mindestens zwei durchkommen.«
    »Das beruhigt ungemein«, sagte Boranow mit belegter Stimme. »Man braucht sich nur daran zu gewöhnen, Steinchen in einem Glückspiel zu sein …«
    In dieser Nacht brachten sie alle Milda Ifanowna zur Tür und verabschiedeten sich von ihr nach russischer Art mit Wangenküssen. Ein großer Horchwagen wartete auf der Zufahrt. Fassungslos starrten der Fahrer, ein Stabsgefreiter, und sein Beifahrer, ein Gefreiter, auf die ungeheuerliche Szene: Zehn sowjetische Offiziere küßten ein Mordsweib. Und ein deutscher Oberst stand daneben und griff nicht ein.
    »Guschtav, do haschte dei hischtorische Stund«, sagte der schwäbische Stabsgefreite. »Wir sind Fahrer für ei russische Offizierspuff!«
    »Eene für zehn. Det is mies …« Der Gefreite starrte auf Milda, die langsam auf den Wagen zukam und sich ab und zu umdrehte und winkte.
    »Wie das Mädle gebaut ist.«
    »Trotzdem. Ick möchte nich der zehnte sein …«
    »Hunger tut weh, Guschtav …«
    Von der anderen Seite kam Oberstleutnant Hansekamm. Er riß die Tür auf.
    »Schnauze!« zischte der Stabsgefreite. Und dann laut: »Stabsgefreiter Hämmerle zur Schtelle.«
    Hansekamm winkte ab. »Sie fahren nach Berlin.« Er half Milda in den Wagen, warf die Tür zu und setzte sich auf die andere Seite neben die Kabakowa. Der schwere Wagen ruckte an und rollte auf die Landstraße nach Eberswalde.
    Eine klare Juninacht. Mondschein über den märkischen Hügeln und Kiefern. Hansekamm drehte sein Fenster herunter und atmete tief. Es roch nach Harz und frischen Gräsern. »Sie sind so still, Milda …«, sagte er.
    »Ich bin müde.« Sie hatte sich weit zurückgelegt und ein Stück Seidenschal über ihr Gesicht gelegt, als blende sie der Mondschein. Natürlich, dachte der Stabsgefreite Hämmerle aus Vaihingen. Nach zehn Durchläufen ist man müde.
    »Versuchen Sie zu schlafen«, sagte Hansekamm.
    Milda Ifanowna nickte. Sie zog den Schal ganz über ihr Gesicht wie einen Vorhang. Ihr Kopf lag weit zurückgeworfen auf dem Polster.
    Lautlos weinte sie nach innen.
    Die Springausbildung – zuerst am Turm und an einem Sicherheitsseil, später aus einer Ju 52, gekoppelt mit einem erfahrenen Fallschirmspringer, der eingreifen sollte, falls jemand die Reißleine vergaß – begann schon am nächsten Tag. Die zehn trugen eine deutsche Uniform ohne Rangabzeichen und wurden in einem Lastwagen zum Fliegerhorst gebracht. Nach dem ersten Tag saßen sie, wieder in der Reitschule von Eberswalde, wie erschlagen beim Abendessen und stocherten lustlos auf den Tellern herum. Der kleine Plejin schämte sich; er hatte bei seinem ersten Sprung vom Turm aus Angst gekotzt. Niemand hatte ihm das übelgenommen. Selbst der robuste Petrowskij hatte oben auf der Turmplatte beim Blick hinunter gesagt: »Junge, wenn ihr mich unten aufhebt, packt mich nicht an der Hose.«
    »Es ist alles nur Gewöhnungssache«, sagte der Fallschirmjäger-Leutnant, der die Ausbildung leitete. »Später seid ihr ganz geil auf das Springen! Dieses Schweben zwischen Himmel und Erde … das ist wie 'n Orgasmus!«
    »Der Junge muß pervers sein!« stöhnte Iwanow, das blonde Lockenköpfchen. Aber als er dann schwebte, als gäbe es keine Schwerkraft mehr, wunderte er sich selbst, daß er eine merkwürdige Freude an diesem Zustand empfand. Nur auf einen so harten Aufprall hatte man ihn nicht vorbereitet. Den hatten auch die Abrollübungen kaum abschwächen können.
    Oberst von Renneberg entschloß sich zu einer ersten umfassenden Beurteilung. Wie stets nach dem Abendessen, saß man noch eine Stunde gemütlich beisammen, rauchte, trank Wein oder Kognak und

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