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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Petrowskij. »Milda Ifanowna, Täubchen aus Moskau, klären Sie uns auf!« Hansekamm blickte hilflos zu Renneberg hinüber. Die zehn saßen brav wie Musterschüler auf ihren Stühlen, mit strahlenden Ohrfeigengesichtern.
    »Dieses Kornfeld liegt bei Stupino «, sagte Milda nüchtern. »Hier, südlich von Moskau, auf dem Weg nach Tula westlich, und Rjasan, östlich. Es gehört zur Kolchose ›Ehre Lenins‹.« Ihr Zeigestock tippte Petrowskij gegen die Brust. »Bei dem Punkt, der Sie so anzieht, Luka Iwanowitsch, handelt es sich um zwei Menschen, die einen neuen Russen zeugen, damit Rußland ewig lebe!«
    »Ich bin begeistert!« rief Petrowskij. »Genossin, gehört das zum Arbeitsplan einer Kolchose? Wie hoch ist das Soll? Erzählen Sie uns mehr davon!«
    »Genossen«, sagte Hansekamm etwas lahm. »Wir spielen hier kein Kabarett! Was Sie sehen und auswendig lernen müssen, ist Ihr Arbeitsraum! Oder, um es ganz klar zu sagen: Es geht um Ihren Kopf! Ein einziger Fehler, und Sie haben verloren. Diese Aufnahme stammt aus dem vergangenen Jahr. Das Kornfeld ist auch in diesem Jahr ein Kornfeld. Es kann für einen von Ihnen zum rettenden Versteck werden. Bitte, mehr Ernst, Genossen!«
    Das Kornfeld rutschte endlich weg. Der Projektor warf das Foto von einem Waldstück auf die Leinwand. Am unteren Rand sah man eine Straße.
    »Das Gebiet von Latschine . Der Wald.« Milda wies mit dem Stock auf das Foto. »Südlich des Waldes verläuft die Chaussee Rshjew - Moskau, die bei Golitzyno auf die bekannte Rollbahn Smolensk - Moskau mündet. Im Wald liegt eine Siedlung, die aber verlassen ist. Man sollte sie umgehen, weil sie öfter benutzt wird von …«
    »… von Genossen, die gerade dem russischen Volk einen neuen Sohn zeugen!« unterbrach Iwan Petrowitsch Bunurian. »Da ist man nicht entzückt, wenn welche vom Himmel fallen.«
    Milda Ifanowna legte den Zeigestock zur Seite und lehnte sich neben die Leinwand an die getünchte Mauer.
    »Jetzt ist sie beleidigt«, sagte Petrowskij und schlug die Hände zusammen. »Liebe Genossen, ihr dürft sie nicht mit eurer Derbheit erschrecken. Ein schwaches Täubchen ist sie, dem jeder Windstoß die Federchen zerzaust …«
    »Ich erwarte Ihre Kontakte in der Lesnaja uliza 19«, sagte Milda Ifanowna. »Wie das vor sich geht, werden Ihnen Ihre Kameraden erklären. Ich nicht mehr!«
    Mit stolzem Schritt ging sie an den zehn vorbei aus dem Zimmer.
    Ein Hauch von Parfüm blieb zurück.
    »Da geht sie hin und ist so böse!« sagte Sergeij Andrejewitsch Tarski. »Ich dachte, sie soll unsere russische Mutter werden. Statt dessen verstößt sie uns!«
    Oberst von Renneberg löste sich vom Fenster. Sein Gesicht ließ nichts Gutes ahnen. »Wenn die Zeit nicht drängte«, sagte er auf russisch, »würde ich den Lehrgang unterbrechen, Sie in deutsche Offiziere zurückverwandeln und für eine Woche jene Konsequenzen ziehen, auf die Sie es offenbar angelegt haben!«
    »Ich bitte um Verständnis.« Major von Labitz alias P. F. Sassonow erhob sich. »Es liegt in der Natur der Sache, daß …«
    »Es liegt in der Natur der Sache, daß Sie endlich begreifen, daß jedes Wort, das hier an Sie gerichtet wird, nur Ihrer Sicherheit, Ihrem Überleben gilt!« schrie von Renneberg. Zum erstenmal verließ ihn seine Zurückhaltung, seine milde Duldsamkeit. »Ich kann von Ihnen, gerade von Ihnen, eine gewisse Reife verlangen! Aber Sie benehmen sich …«
    »Ein Wort, Genosse!« unterbrach ihn Duskow. »Ich stamme aus Kasan, aus ärmlichen Verhältnissen. Mein Vater arbeitet im Straßenbau, meine Mutter näht in einem Kombinat kragenlose Hemden. Meine Schwester ist bereits Witwe mit Kind – ihr Mann starb an einem Leberleiden. Ich selbst bin gelernter Schuhmacher, arbeite aber jetzt nach der Entlassung aus der Roten Armee wegen Lungenkrankheit als Rangierer bei der Eisenbahn. Der frischen Luft wegen. Ich frage Sie, Genosse! Wenn mir ein solches Weib wie Milda Iwanowna begegnet – wie kann ich dann anders reagieren als ein lungenkranker Rangierer? Und Genosse Petrowskij?! Er ist Lagerarbeiter. Was kennt er schon? Ein Gläschen Kwaß, seine Zeitung, Kisten und Kartons, die er stapeln muß, und abends trifft er sich mit seiner Malinka. Was wohl, Genosse, tut er dann? Über den Ausbau der Landwirtschaft in Kasakstan philosophieren?! Malinka würde ihm weglaufen! Nein, er packt zu. Mit beiden Händen. Das erwartet man von ihm! Wer redet hier von deutschen Offizieren? Wir sind russische Bürger. Kleine Hunde, jeder von uns.

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