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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stalin. Nur: Der Haß gegen uns Deutsche ist so groß, daß die westlichen Alliierten nicht erkennen, daß sie mit ihrem sowjetischen Verbündeten sich auch gleich ihren Untergang ins Haus holen. Sie wollen es nicht begreifen, aber sie werden es erleben. Aber diese scheinbar unaufhaltsame Entwicklung könnte mit einem einzigen Schuß, einer einzigen Handgranate in eine andere Bahn gelenkt werden.«
    »Dann hieße die Galionsfigur eben doch wieder Adolf Hitler!« sagte Boranow und hüstelte. Renneberg sah ihn ernst an.
    »Nein! Ihnen, die Sie ja tot sind, kann man es anvertrauen: Auch Adolf Hitler wird das neue Weltbild nicht bestimmen. Wenn Sie Stalin getötet haben, wird sich auch in Deutschland vieles ändern …«
    Um 2 Uhr früh standen die zehn an den Fenstern ihrer Zimmer und blickten hinaus in die Nacht. Zerfledderte Wolken trieben träge über den Mond, der Wind war von schmeichelnder Wärme und roch nach Kiefernnadeln. In den Pferdeställen der Offiziersreitschule scharrten die Gäule, prusteten, wieherten im Traum. Das Fenster der Wachkammer war erleuchtet, durch einen Schlitz der Verdunkelung fiel ein Streifen Licht. Die Stallwache spielte Skat. Weit weg, nach Berlin zu, rumpelte und donnerte es schwach. Flak und Bomben – der nächtliche Luftangriff, schon zur Gewohnheit geworden. Die Bevölkerung hatte Verluste …
    »Mach's gut, Milda!« sagte das Lockenköpfchen Iwanow.
    »Ob wir sie wiedersehen?« fragte sich der kleine Plejin. »Nicht daß ich auf ihr liegen möchte – ich frage nur so! Ob es uns gelingt, durchzukommen?«
    Neben Boranow am Fenster stand Oberst von Renneberg. Auch er blickte nach Osten in den mondfahlen Nachthimmel. Aber er sprach mit leiser Stimme, nicht von Milda Ifanowna, sondern von Adolf Hitler.
    »Ich kann Sie noch auswechseln, Hauptmann Kuehenberg«, sagte er auf deutsch.
    »Genosse, ich verstehe Sie nicht«, antwortete Boranow auf russisch.
    »Lassen Sie das, Kuehenberg.« Renneberg rückte näher an ihn heran. »Ich kenne Ihre Personalakte, Ihre Familiengeschichte, alles. Ich habe Sie beobachtet. Sie sind ein kritischer Mensch, und Sie lieben Ihre Heimat.«
    »Wer täte das nicht, Genosse?« Boranow sprach russisch weiter. Renneberg unternahm keinen neuen Versuch, Kuehenberg zurückzuverwandeln.
    »Ich könnte Sie hierbehalten und in den Stab von General Oster schleusen.«
    »Was soll ich da?«
    »Sie würden Witzleben kennenlernen, von Stauffenberg, Goerdeler, Hoeppner, den Kreisauer Kreis.«
    »Wer ist denn das?«
    »Das kann man Ihnen alles erklären. Sie werden auf jeden Fall die Persönlichkeiten kennenlernen, die aus glühender Vaterlandsliebe heraus an ein Weiterleben Deutschlands glauben … nach Hitler! Auch Canaris gehört dazu, von Stülpnagel. Rommel …«
    »Der auch?« Boranow drehte sich vom Fenster weg. 2.12 Uhr. Jetzt konnte Milda gelandet sein. Irgendwo in der Nähe von Moskau. Ein Bauernmädchen, das am nächsten Morgen in die große Stadt fährt. »Was wollen Sie von mir?«
    »Wir brauchen Männer wie Sie, Kuehenberg. Unerschrocken, mit Weitblick, mit der angeborenen politischen Intelligenz, mit staatserhaltenden Ideen, mit Mut zum Risiko. Sie sind noch jung. Achtundzwanzig! Sie sind die Zukunft, Kuehenberg. Ich habe mich in den letzten Tagen immer wieder gefragt und mein Gewissen gefoltert: Darfst du diesen Mann in Moskau verheizen? Denn daß Ihr Leben beendet ist, auch wenn Sie Wildgänse überleben, ist Ihnen doch klar?«
    »Wir sind zehn, Genosse Oberst!« antwortete Boranow bestimmt. »Und wir bleiben zehn! Wir werden Stalin töten. Töten Sie Hitler! Vielleicht treffen wir uns dann später einmal und diskutieren darüber, ob es sich gelohnt hat.«
    »Ich kann Sie noch austauschen, Kuehenberg.«
    »Wenn Sie das können, dann nehmen Sie Major von Labitz heraus. Ich bewundere ihn, daß er nicht verrückt wird. Als lebender Toter Vater eines Sohnes zu sein, auf den er Jahre gewartet hat – das sollen Nerven erst einmal aushalten. Gut, er hat bei Ihrer Frage, ob er zurücktreten will, so reagiert, wie man es von ihm erwartet hat. Aber von Tag zu Tag wird er stiller, verkriecht sich in sich selbst, sitzt vor dem Bild seiner Frau – ein Bild seines Sohnes hat er gar nicht und wird es nie bekommen – und spricht mit ihr. Leonid Germanowitsch, der bei ihm im Zimmer wohnt, sagt, es sei ergreifend, ihn zu beobachten, wie er das Foto anblickt, wie er sein Herz öffnet vor diesem Foto, wie er es zärtlich küßt und dann befreit einschläft, glücklich wie

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