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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Irgend jemand läßt du doch zurück.«
    »Ich lasse keinen zurück.« Bunurian öffnete die kleine Tür. Der Zugwind riß ihn fast aus dem Flugzeug. Er umklammerte die Haltestange und stemmte die Füße gegen den eisernen Boden. »Jetzt?« schrie er gegen den Lärm.
    »Gleich!« Der umgebaute Bomber legte sich etwas auf die Seite und flog wieder einen Kreis an. Von der Pilotenkanzel ertönte ein Pfeifsignal. »Jetzt!«
    Der Feldwebel gab Bunurian einen Klaps auf den Hintern. Iwan Petrowitsch duckte sich, ließ die Stange los und stieß sich ab. Kopfüber fiel er in den freien, schwarzen Raum, breitete die Arme aus, als könne er wie ein Vogel aus eigener Kraft fliegen. Dann zog er an der Reißleine und hielt unwillkürlich den Atem an. Entfaltete sich der Fallschirm?
    Über ihm zischte es hell. Aus dem Packsack schnellte die weiße Seide heraus, blähte sich, wölbte sich zu einer großen offenen Halbkugel. Dann kam der Sturz in die Gurte, sein Körper bäumte sich auf und hing dann wie erschlafft unter den Leinen.
    Bunurian stieß den Atem aus. Geschafft! Jetzt begann die Minute der Schwerelosigkeit. Das beseligende Schweben.
    Über sich, sehr schwach, hörte er die Motoren des Flugzeugs. Steil zog es wieder nach oben durch die Wolkendecke und entfernte sich nach Westen.
    Der Leutnant hatte ein Berichtsbuch auf den Knien und trug ein: »2.05 Uhr. Auftrag ausgeführt. Sprung geglückt. Treten Rückflug an zum Stützpunkt Polozk.«
    Er klappte das Buch zu und warf es in eine Ecke der Kanzel. Der Feldwebel kletterte auf den zweiten Sitz und schnallte sich wieder an.
    »Er heißt Iwan Petrowitsch – sagt er … Ob das wirklich ein Russe war?«
    »Nie! So ein perfektes Deutsch?«
    »Die Abwehr hat die tollsten Typen im Einsatz.«
    »Irgend etwas ist da sowieso faul.« Der Leutnant ging auf große Höhe und gab die Motoren frei. Der Bomber dröhnte und schüttelte sich. »Ein Mann allein wird über Rußland abgesetzt. Das ist doch blöd.«
    »Vielleicht ein hohes Tier, das einen ganzen Spionagering aufbaut?«
    »Für wen? Was soll das noch helfen? Kann ein Mann allein den Krieg gewinnen?« Der Leutnant blickte auf seine Instrumente. Er flog blind nach Kompaß und Karte. Links von ihnen mußte bald Rshjew auftauchen. Sie bogen nach Norden ab, um es zu umfliegen und nicht in die Luftsperre hineinzukommen. »Eins steht fest«, sagte der Leutnant und brach ein Stück Schoka-Cola aus der runden Blechschachtel. Das war die bevorzugte Fliegernahrung: sie hielt wach und gab Energie. Bei großen Einsätzen schluckte man Pervitin. Dann waren die Nerven wie Violinensaiten gespannt und klangen beim geringsten Anstoß an. »Eins steht fest«, wiederholte der Leutnant, »das war der blödeste Einsatz, den wir je geflogen sind. Und dazu noch diese Geheimniskrämerei! Da waren mal wieder solche Glasbläser am Werk, die blasen dir aus jedem Furz einen Elefanten.«
    Bunurian erkannte nach wenigen Sekunden, daß er sich einem dichten Wald näherte. Die Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Formen schälten sich aus dem Schwarz:
    Baumgipfel, Lichtungen, ein fast runder Waldsee, Schneisen, Feldwege, ein Windbruch, der in einen Kahlschlag überging. Hohe Stapel geschälter Stämme. Traktoren. Drei Blockhäuser. O Scheiße, dachte Bunurian. Das fehlte mir noch, daß ich mitten unter den Holzfällern lande. Gott zum Gruße, Brüder! Ich falle da vom Himmel, weil ich es so eilig habe, bei euch ein Süppchen zu essen! Ich bin Iwan Petrowitsch, ein vom Militär entlassener Bäcker. Da staunt ihr, liebe Genossen, ich bin hier, um euch knuspriges Brot zu backen. Und köstliches Schmalzgebäck … Ich sage euch, ihr werdet die Mäuler lecken wie die Kälber nach der fetten Milch. Ihr habt doch Fett da, liebe Brüder? Gänsefett tut es auch. Da kenne ich eine ganz neue Sorte Blinis; die Augen werdet ihr verdrehen, das verspreche ich euch …
    Sie werden es nicht glauben. Bäcker werden nicht an Fallschirmen abgeworfen. Das wäre doch sehr ungewöhnlich, das würden nicht einmal die wundergläubigen Russen glauben. Bunurian strampelte mit den Beinen und riß an den Leinen. Er hatte gelernt, daß man das Segeln mit dem Fallschirm ein bißchen beeinflussen konnte. Nicht viel – aber schon das Wegtreiben von der Holzfällersiedlung könnte sein Leben retten. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte Bunurian nach unten. Ihm kam es vor, als falle er jetzt schneller, als habe er gar keinen Fallschirm über sich, so schnell kam die Erde näher. Aber

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