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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Holzfällerhütten aus den Betten fallen. Ich muß ganz still liegen, irgendwo zwischen schützenden Büschen. Ganz still liegen und warten, bis der Knöchel sich beruhigt hat. Zwei oder drei Tage, das wird reichen. Es hilft nichts, Iwan Petrowitsch, du mußt die Tugend der Russen annehmen und warten können.
    Bunurian schleifte sich noch ein paar Meter weiter bis zu einer Buschgruppe, fiel dort zwischen das Geäst, lag auf dem Rücken und schlug beide Hände vor das Gesicht. Er konnte es nicht mehr zurückhalten … er weinte vor Schmerzen, nagte an seinem Handballen, schrie sich zu: Es geht vorbei! Es geht vorbei! … Mit einem zitternden Stöhnen riß er einen Ast vom Gebüsch und stopfte ihn sich mitsamt den Blättern in seinen zu einem Schrei aufgerissenen Mund …
    Der Absprung von Leonid Germanowitsch Duskow war eine Meisterleistung: Er landete zwischen einer Hügelkette in einer sanften Senke auf einer fetten Wiese, rollte sich vorschriftsmäßig ab, unterlief den Fallschirm, raffte ihn zusammen und lag dann ein paar Minuten sichernd wie ein Wild neben seinem Schirm im hohen Gras. Über ihm brummte leise das Flugzeug in einem Bogen nach Westen zurück.
    Oberst von Renneberg hätte in die Hände geklatscht. Wie bei einem Zielsprung hatte Duskow aufgesetzt, genau in der Mitte zwischen den Orten Kolchugino und Alexandrow, Nordwestlich, vielleicht zehn Werst entfernt, zog sich die Autostraße von Jaroslawl nach Moskau durch die Wälder und die Sumpfniederungen des Flusses Njerl. Wenn er diese Straße erreichte, war er eigentlich schon in Moskau. Die Eisenbahn, die von Alexandrow über Sagoressk nach Moskau führte, war ihm zu riskant, obgleich sie der schnellste Weg gewesen wäre. Es war bekannt, daß man die Eisenbahn schärfer kontrollierte als die Straßen und jeden halbwegs gesund aussehenden Mann fragte, warum er nicht in der Roten Armee sei und das Vaterland schützte. Anscheinend fuhren die Drückeberger lieber mit dem Zug, als in irgendeinem Fuhrwerk, das sich nur mühsam vorwärts quälte, über die Straßen zu rattern.
    Duskow schleppte den Fallschirm hinter sich her und verstaute ihn am Rand eines Baches unter einigen Steinen. Dann trug er mit seinen Händen Erde heran und häufte sie auf den Schirm, bis er nicht mehr zu sehen war. Der Nachthimmel war klar, ein Gewölbe aus glitzernden Sternen. Er blieb am Bach sitzen, wusch sich Hände und Gesicht und fühlte sich von dem dumpfen Druck befreit, der ihn im Flugzeug belastet hatte. Jetzt hatte er die Erde wieder unter den Füßen, jetzt war er Russe und wollte so schnell wie möglich nach Moskau, um seine neue Stelle als Kraftfahrer anzutreten.
    Wandern wir also, dachte Duskow zufrieden. Der Bach mußte den Namen Pjeschka haben, weiter unterhalb lag eine Ziegelei, dann folgten Wälder bis kurz vor Kolchugino. Das Kartentraining mit Milda Ifanowna machte sich bezahlt, er kannte sich so gut in dieser Gegend aus, als sei er hier aufgewachsen. Nach Norden mußte man also jetzt, frech hinein nach Alexandrow, sich irgendwo am Ortsrand niederlassen, vielleicht hinter einer Scheune oder einem großen Busch, die Morgensonne abwarten und dann fröhlich durch die Straßen schlendern, hier und da ein Schwätzchen halten und sich erkundigen, ob einer die Absicht hatte, nach Moskau zu fahren. Ob auf einem quietschenden Holzwagen oder auf dem Rücken eines triefäugigen Panjepferdchens, das war ihm gleich.
    Er mußte nur Dubna erreichen, den kleinen Ort an der großen Straße zur Hauptstadt.
    Duskow verließ sein friedliches Tal, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, daß der Fallschirm gut begraben war. Er wanderte über einen schmalen Pfad am Ufer des Pjeschka-Baches entlang, erreichte einen lichten Wald und entschloß sich, ihn zu durchqueren, ganz gleich, wo er herauskommen würde. Die Richtung stimmte. Nordwesten.
    Nach einer Stunde legte er eine Rast ein, setzte sich unter einen Baum und sagte sich vor, was er alles erzählen würde, wenn er zum erstenmal auf Menschen stieß. Ihn wunderte, daß das große Abenteuer bisher so simpel verlaufen war. Keine Flak hatte den Flug gestört, keine Scheinwerfer hatten nach dem einsamen Flugzeug getastet, kein sowjetischer Jäger hatte sie abgefangen.
    So einfach war das, nach Rußland zu kommen und hinter den Linien, mitten im Land, abzuspringen. Duskow versetzte sich in die Denkweise der Russen. Die Front war weit von Moskau weggerückt, die deutsche Luftwaffe hatte jeden Schrecken verloren, sie war froh, ab und

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