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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er trieb über die Baracken weg, dem Wald entgegen, über den Windbruch hinweg, in ein Gebiet, wo die Bäume dicht an dicht standen und die Wipfel wie ein grünes Meer mit Tausenden spitzer Kronen wogten.
    Landung im Wald … das hatten sie auch geübt. Er zog die Beine an, hielt sich an den Stricken fest und hoffte, daß die Äste den Aufprall federnd mildern würden. Dann spürte er die ersten Zweige unter seinen Füßen, trat nach unten und dachte: Halt die Luft an, mach dich schwer, und wenn du einen dicken Ast zu fassen kriegst, klammere dich daran fest. Der Aufprall auf die Baumwipfel war sanft. Er warf die Arme vor, umarmte einen hochragenden dicken Ast, eine Ulme war's, schlang die Beine wie eine Zwinge darum und spürte, wie an seinem Rücken der geblähte Fallschirm zerrte, ihn weitertreiben, seinen Brustkorb abquetschen wollte, ihm fast den Atem nahm. Er drückte das Gesicht in das Blätterwerk, stöhnte leise und biß in das Holz, als die Brust- und Schenkelriemen ihn zu zerteilen schienen und der Fallschirm mit ungeheurer Kraft ihn vom Baum zerren wollte. Endlich fiel die seidene Halbkugel zusammen, breitete sich malerisch über einen Baum aus, umkleidete ihn wie mit einem weißen Tischtuch und gab Bunurian der Erde frei.
    Er befreite sich aus den Gurten, hing wie ein Affe im Gipfel der Ulme, hörte ein Knacken und sah mit Schrecken, wie der Ast sich unter seinem Gewicht durchbog. Dann brach sein Halt mit einem bösartigen Knirschen. Rückwärts stürzte Bunurian in die Tiefe, streifte Äste, griff um sich, faßte einen Ast, der seinen Fall bremste, aber nicht aufhalten konnte.
    An seinem Körper – überall – spürte er ein wildes Brennen, als würde seine Haut abgeschält, dann fiel er weiter, schlug auf einen dicken Seitenast auf, schloß die Augen und gab sich ganz dem Schmerz hin … Mein Rücken, dachte er noch. Mein Rücken … Die Wirbelsäule ist gebrochen. Wieso kann ich noch denken?
    Ein anderer Ast federte ihn zurück und warf ihn auf den Boden.
    Der linke Fuß knickte um. Bunurian fiel auf das Gesicht, streckte sich, hieb die Finger in die weiche Erde und krallte sich im Boden fest, als könne auch der noch nachgeben und ihn in eine grenzenlose Tiefe schleudern. Dann lag er eine Weile still auf dem Bauch, lauschte in sich hinein und hörte den Schmerz singen.
    Ich lebe, dachte er verblüfft. Ich lebe! Meine Haut ist abgezogen worden, als sei ich eine Pellkartoffel, mein Rückgrat ist zerbrochen, meine Hüfte zertrümmert, mein Knöchel zersplittert … aber ich lebe. Wie lange noch?
    Er dachte an Rennebergs letzte Worte: Sie werden selbst entscheiden müssen, wann Sie die Kapsel nehmen … Selbst entscheiden … Solange man atmen kann, will man leben, Herr Oberst. Und ich kann noch atmen. Ich will leben … leben.
    Bunurian versuchte, sich vorsichtig herumzudrehen. Wider Erwarten gelang es. Er lag auf dem Rücken und zitterte. Mein Rückgrat kann nicht zerbrochen sein, dachte er. Ich hätte mich sonst nicht umdrehen können. Und auch die Hüfte hat nur eine Prellung abbekommen, wie könnte ich sonst die Beine bewegen? Aber der Knöchel – da sitzt das Übel! Der Knöchel ist gebrochen, das ist sicher.
    Er lag ausgestreckt, bewegte sich nicht und wartete, was sein Körper tun würde. Der Schmerz, stechend, bohrend, klopfend, ziehend, verlagerte sich immer mehr auf seinen linken Fuß und zog sich aus den anderen Körperteilen zurück.
    Der Himmel wurde heller. Nicht, daß es schon dämmerte, aber seine Augen hatten sich ganz auf die Nacht eingestellt und bündelten das wenige Licht. Er sah, daß er durch einen unberührten Wald gefallen war und auf einem Boden lag, der weich war vom Laub vieler Jahre, ein Polster aus verrotteten Blättern und abgestoßenen, morschen Ästen. Den Fallschirm sah er nicht … irgendwo dort oben hing er im Blättergerank, turmhoch und unerreichbar. Wenn ihn kein Sturm davonwehte, würde er eines Tages ins Astwerk einwachsen.
    Bunurian richtete sich vorsichtig auf und setzte sich. Sein Anzug war an vielen Stellen zerrissen. Das bedeutete, daß er sich schnell einen neuen beschaffen, irgendwo in der nächsten Siedlung eine günstige Gelegenheit abpassen mußte, um einen stehlen zu können. Aber bis zur nächsten Siedlung mußte man laufen.
    Er hielt das linke Bein ausgestreckt, zog das rechte an und versuchte, sich auf diesem hochzustemmen. Ein wilder Schmerz durchzuckte ihn vom linken Knöchel her und warnte ihn. Er seufzte tief, ließ sich zurückfallen und

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