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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unerlaubten Schweine züchten für den eigenen Magen, anstatt sie für die Allgemeinheit abzuliefern, wird man nicht fragen. Jeder, den man scharf anblickt, wird froh sein, ihn weiterzuschieben. Denn jeder hat irgend etwas, das er verbergen muß, in seinem Haus.
    Auch so kann man nach Alexandrow kommen.
    Stupino an der Oka ist ein wichtiger Verkehrspunkt im Süden Moskaus. Nicht nur eine wichtige Eisenbahnlinie führt durch den Ort hindurch, nämlich die große Strecke Moskau - Tula - Kursk - Charkow - Stalinow - Rostow und somit die Verbindung Moskaus mit dem Asowschen Meer und dem ganzen fruchtbaren Süden zwischen der Krim und dem Don-Becken, sondern auch eine schöne Straße von Kaschira an der Oka über Stupino in das Herz Rußlands.
    Alexander Nikolajewitsch Kraskin war gegen 2.05 Uhr nachts ohne Zwischenfall im Waldgebiet zwischen Stupino und Sjerpuchow gelandet, und zwar so glücklich, daß er im seichten Flußbett der kleinen Lopanassja wieder Land unter die Füge bekam. Das träge Wasser hielt den Fallschirm fest, er watete ans Ufer und zog ihn ein, faltete ihn notdürftig zusammen und versteckte ihn unter dem losen Geröll, das der schmale Fluß im Laufe der Jahrtausende aus dem Boden herausgeholt hatte. Dann entkleidete er sich, hängte seinen Anzug und die Unterwäsche zum Trocknen an einen Baum und wartete auf den Morgen. Es war eine warme Nacht, er fror nicht, lief aber ab und zu zwischen den Bäumen hin und her und ließ das Blut zirkulieren.
    In der ersten Morgensonne kleidete er sich an, sein Anzug war noch klamm, vollgesogen von Feuchtigkeit, aber im Laufe der nächsten Stunden würde er an seinem Körper trocknen und wenigstens etwas von seiner Form behalten. Der Stoff stank erbärmlich, als sei er aus der Wolle eines Ziegenbocks gewebt, und Kraskin fragte sich, ob er mit so einem Gestank unter die Menschen gehen könne. Man konnte es erklären, etwa so: Vier Jahre habe ich die Uniform der Armee getragen, liebe Freunde. Habe ich gestunken? – Nein! – Stinken alle unsere tapferen Kameraden? Na also! Millionen Krieger sind wir, und wenn wir alle gemeinsam so stinken würden, wäre der Krieg längst gewonnen, denn soviel Geruch hält kein Gegner aus. Habt ihr schon mal etwas von dem Perserkönig Darius gehört? Nein? Ein Kerl ist das, sage ich euch! Der hat eine Schlacht gewonnen, weil er Tausende von ungewaschenen Kamelen vor seinen Pfeilschützen hertreiben ließ. Und was tut der Gegner? Er schnuppert in die Luft, bekommt den bestialischen Gestank in die Nase, erbleicht vor soviel giftigen Gasen und flüchtet. Alles haben sie liegengelassen, so fürchterlich stanken die Kamele. Aber bei uns, Brüder, bei uns in der Roten Armee ist so etwas unmöglich! – Doch kaum bin ich entlassen, weil mir die Deutschen einen höllischen Schuß verpaßt haben, kaum bekomme ich meine Zivilkleider, was sage ich, was rieche ich? Ich stinke. Ein bißchen Regen nur, ein paar harmlose Tröpfchen, und schon bin ich wie ein Perser-Kamel! Eine Tragik ist das, Genossen! Was soll ich dagegen machen? Ich wage es ja nicht einmal, mich in der Hose zu waschen oder von einem Wasserkran einen Trunk zu schlürfen. Nur ein Tröpfchen auf den Anzug … wie giftiges Gas kommt's aus den Fasern! Weiß der Teufel, womit sie die Stoffe jetzt weben! Aber für die Zivilisten ist es gut genug. Man muß es eben ertragen können, Freunde. Es geht um Größeres, um den Sieg im Vaterländischen Krieg. Da können die Zivilisten ruhig vor sich hin stinken, wenn nur die Armee alles hat, was sie braucht …
    Das war einleuchtend, aber Kraskin entschloß sich, solchen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Sein Ziel Moskau lag ohne große Anstrengungen vor ihm, etwas über 80 km weit entfernt, mit einem Güterzug leicht zu erreichen.
    Bis zum Mittag trieb sich Alexander Nikolajewitsch im Wald von Stupino an der romantisch dahinplätschernden Lopanassja herum, wanderte dann, stinkend wie ein Bock, aber frohen Mutes, über einige Nebenwege in östlicher Richtung und erreichte um 3 Uhr nachmittags den losen Häuserhaufen Stupino. Es war eine trostlose Kleinstadt, die eigentlich nur von der Bahnstrecke und der Straße lebte und von der Nachbarstadt Kaschira, die wiederum vom Fluß Oka lebte. Hier gab es Fischer und Frachtdampfer, eine Konservenfabrik und eine Fabrik für Holztüren, die aber jetzt im Krieg simple Eisenbahnschwellen herstellte, um neue Bahnlinien für den Nachschub auszubauen. Stupino war stolz auf einen kleinen Park mit sibirischen

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