Sie
kleine Kamera war. Eine hübsche junge Frau stieg an der Beifahrerseite aus, zupfte das geföhnte Haar zurecht, überprüfte im Rückspiegel noch einmal das Make-up und gesellte sich dann zu ihrem Kameramann.
Das Auge der Außenwelt, das sich in den letzten Jahren von der Drachenlady abgewendet hatte, kam nun mit aller Macht zurück.
Paul rollte rasch zurück und hoffte, dass es noch rechtzeitig gewesen war.
Wenn du es ganz sicher wissen willst, dann schau doch einfach die Sechs-Uhr-Nachrichten, dachte er, und dann musste er beide Hände auf den Mund pressen, um das Kichern zu unterdrücken.
Die Fliegengittertür wurde aufgerissen und zugeschlagen.
»Verschwinden Sie!«, kreischte Annie. »Verschwinden Sie auf der Stelle von meinem Land!«
Nur undeutlich zu vernehmen: »Ms. Wilkes, wenn wir nur ein paar …«
»Sie können ein paar Ladungen Schrot in Ihr bedummdusseltes Pupsloch haben, wenn Sie nicht von hier verschwinden!«
»Ms. Wilkes, ich bin Glenna Roberts von KTKA …«
»Es ist mir einerlei, ob Sie John Q. Jesus Johnnycake Christus vom Planeten Mars sind! Verschwinden Sie von hier, oder Sie sind TOT!«
»Aber …«
KAWUMM!
O Annie o gütiger Heiland Annie hat diese dumme Tussi umgebracht …
Er rollte ans Fenster und spähte hinaus. Er hatte keine andere Wahl - er musste es sehen. Erleichterung überkam ihn: Annie hatte in die Luft geschossen. Das schien seinen Zweck erreicht zu haben. Glenna Roberts hechtete kopfüber in den KTKA-Übertragungswagen. Der Kameramann richtete die Linse auf Annie; Annie richtete die Mündung auf den Kameramann; der Kameramann entschied sich, dass er weiterleben wollte, um noch einmal ein Konzert der Grateful Dead zu erleben, anstatt die Drachenlady zu filmen, und warf sich unverzüglich wieder auf den Rücksitz. Der Wagen fuhr langsam rückwärts die Einfahrt hinab, noch ehe er die Tür richtig zugemacht hatte.
Annie stand da und sah ihnen nach, das Gewehr hielt sie in einer Hand, dann kam sie langsam zum Haus zurück. Er hörte ein Poltern, als sie das Gewehr auf den Tisch legte. Sie kam in Pauls Zimmer. Sie sah schlimmer aus, als er sie jemals gesehen hatte; ihr Gesicht war verhärmt und bleich, die Augen huschten unablässig hin und her.
»Sie sind wieder da«, flüsterte sie.
»Nehmen Sie es nicht so schwer.«
»Ich wusste, dass diese Bälger wiederkommen würden. Und nun sind sie da.«
»Sie sind fort, Annie. Sie haben sie vertrieben.«
»Sie gehen niemals fort. Jemand hat ihnen gesagt, dass dieser Polizist im Haus der Drachenlady war, bevor er verschwunden ist. Und jetzt sind sie wieder da.«
»Annie …«
»Wissen Sie, was sie wollen?«, fragte sie.
»Selbstverständlich. Ich hatte auch schon mit der Presse zu tun. Sie wollen dieselben zwei Dinge, die sie immer wollen - dass Sie Mist bauen, während die Kamera läuft, und dass jemand anderes ihnen nach Feierabend die Martinis bezahlt. Aber Annie, Sie müssen sich beruhi…«
» Das wollen sie«, sagte sie und hob eine zur Kralle gekrümmte Hand an die Stirn. Sie kratzte plötzlich und unerwartet, vier rote Striemen wurden auf ihrer Stirn sichtbar. Blut rann ihr in die Augenbrauen, die Wangen hinab und neben der Nase herunter.
»Annie! Hören Sie auf!«
»Und das!« Sie schlug sich mit der linken Hand so heftig auf die linke Wange, dass ein Abdruck blieb. »Und das! « Die rechte Wange, noch fester; so fest, dass die Fingernagelabdrücke zu bluten anfingen.
»AUFHÖREN!«, kreischte er.
»Das wollen sie!«, kreischte sie zurück. Sie presste die Hände gegen die Stirn, drückte sie auf die Wunden. Sie streckte ihm einen Moment lang die blutigen Handflächen entgegen, dann schlurfte sie aus dem Zimmer.
Nach einer langen Zeit fing Paul wieder an zu schreiben. Anfangs ging es langsam - immer wieder drängte sich ihm das Bild auf, wie Annie blutende Furchen in ihr Gesicht
grub -, und er dachte schon, es hätte keinen Zweck, er sollte besser für diesen Tag aufhören, als ihn die Geschichte doch noch packte und er wieder durch das Loch im Papier fiel.
Wie immer dieser Tage geschah es mit einem Gefühl gesegneter Erleichterung.
33
Am nächsten Tag kamen weitere Polizisten, diesmal einheimische Bauerntrampel. Ein hagerer Mann mit einem Koffer, in dem sich nur eine Stenomaschine befinden konnte, begleitete sie. Annie stand bei ihnen in der Einfahrt und hörte ihnen mit ausdrucksloser Miene zu. Dann führte sie sie in die Küche.
Paul saß schweigend da, einen Stenoblock auf dem Schoß (den letzten
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