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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stachen in die Spalte zwischen seinen Gesäßbacken.
    Sie kam mit der Bettflasche in der einen Hand zurück, einem altmodischen Ding aus Zinn, das auf absurde Weise wie ein Föhn aussah. In der anderen Hand hielt sie zwei Kapseln Novril und ein Glas Wasser.
    Zwei weitere zusätzlich zu denen, die du vor einer halben Stunde genommen hast, könnten dich ins Koma fallen lassen und umbringen, dachte er, und eine zweite Stimme in ihm antwortete: Soll mir recht sein.
    Er nahm die Tabletten und schluckte sie mit Wasser.
    Sie hielt ihm die Bettflasche hin. »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Ich kann es allein«, sagte er.
    Sie wandte sich diskret ab, während er seinen Penis in die kalte Röhre fummelte und urinierte. Er sah sie zufällig an, als das hohle Plätschern ansetzte, und stellte fest, dass sie lächelte.
    »Fertig?«, fragte sie Augenblicke später.
    »Ja.« Er hatte wirklich ziemlich dringend urinieren müssen - in aller Aufregung hatte er keine Zeit gehabt, sich um so etwas Gedanken zu machen.
    Sie nahm ihm die Bettflasche ab und stellte sie vorsichtig auf den Boden. »Und jetzt wollen wir Sie wieder ins Bett
legen«, sagte sie. »Sie müssen erschöpft sein … und Ihre Beine müssen ja schon eine Oper singen.«
    Er nickte, wenngleich er in Wirklichkeit überhaupt nichts spürte - die zwei Tabletten zusätzlich zu denen, die er selbst genommen hatte, rissen ihn mit alarmierender Geschwindigkeit auf die Bewusstlosigkeit zu, er begann bereits, das Zimmer durch dünne graue Schleier zu sehen. An einen Gedanken klammerte er sich - sie würde ihn ins Bett legen, und wenn sie das tat, musste sie blind und ohne Tastsinn sein, um nicht zu spüren, dass die Rückseite seiner Unterwäsche mit kleinen Päckchen vollgestopft war.
    Sie rollte ihn neben das Bett.
    »Nur noch einen Augenblick, Paul, dann können Sie ein Nickerchen machen.«
    »Annie, könnten Sie noch fünf Minuten warten?«, stieß er hervor.
    Sie sah ihn an, und ihr Blick wurde wieder misstrauisch.
    »Ich dachte, Sie hätten große Schmerzen, mein Bester.«
    »Habe ich«, sagte er. »Es tut weh … zu sehr weh. Hauptsächlich das Knie. Wo Sie … äh, wo Sie die Beherrschung verloren haben. Ich bin noch nicht bereit, hochgehoben zu werden. Könnten Sie mir noch fünf Minuten Zeit geben, um … um...«
    Er wusste, was er sagen wollte, aber es entglitt ihm immer wieder. Entglitt ihm und verlor sich im Grau. Er sah sie hilflos an und wusste, dass er doch noch erwischt werden würde.
    »Um die Medizin wirken zu lassen?«, fragte sie, und er nickte dankbar.
    »Selbstverständlich. Ich werde die Einkäufe verstauen und dann gleich zurückkommen.«

    Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, griff er hinter sich, holte die Päckchen heraus und stopfte eines nach dem anderen unter die Matratze. Die grauen Schleier wurden dichter, ihre Farbe veränderte sich unaufhaltsam von Grau zu Schwarz.
    Schieb sie so weit hinunter, wie du kannst, dachte er blind. Sehr weit, damit sie sie nicht mit dem Bettlaken herauszieht, wenn sie das Bett macht. So weit hinunter, wie du … wie du …
    Er schob das letzte unter die Matratze, dann sah er zur Decke empor, wo die W einen trunkenen Tanz vollführten.
    Afrika, dachte er.
    Jetzt muss ich nachwischen, dachte er.
    Oh, ich stecke in verdammten Schwierigkeiten, dachte er.
    Spuren, dachte er. Habe ich Spuren hinterlassen? Habe ich …
    Paul Sheldon verlor das Bewusstsein. Als er erwachte, waren vierzehn Stunden verstrichen, und draußen schneite es wieder.

Teil zwei
    MISERY
    Das Schreiben verursacht kein Leid,
es wird aus Leid geboren.
    MONTAIGNE

1
    MISERYS RÜCKKEHR
    Von Paul Sheldon
     
    Für Annie Wilkes

KAPITEL 1
    Wenngleich Ian Carmichael nicht für alle Juwelen aus der Schatzkammer der Queen aus Little Dunthorpe weggezogen wäre, so musste er sich eines doch eingestehen: Wenn es in Cornwall regnete, dann regnete es heftiger als sonst wo in England.
    An einem Haken in der Diele hing ein altes Stück Frotteetuch, und nachdem er den tropfnassen Mantel aufgehängt und die Stiefel ausgezogen hatte, nahm er es, um sich das dunkelblonde Haar abzutrocknen.
    Aus dem Wohnzimmer konnte er leise, wie aus der Ferne, die dahinplätschernden Melodien von Chopin hören, und er verharrte,
das Handtuch immer noch in der linken Hand, um zuzuhören.
    Die Feuchtigkeit, die nun seine Wange hinabrann, waren nicht Regentropfen, sondern Tränen.
    Er erinnerte sich noch, wie Geoffrey zu ihm gesagt hatte: Du darfst niemals vor ihren Augen weinen, alter Junge -- das

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