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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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legte ihm die Arme um den Nacken und presste ihre festen Brüste noch mehr gegen seine Hände. "Pssst, Liebling”, flüsterte Misery, “und sei nicht albern. Ich bin hier... direkt hier. Und nun küss mich!
Wenn ich sterbe, dann vor Verlangen nach dir."
    Er drückte den Mund auf ihre Lippen und vergrub die Hände tief in den Locken ihres kastanienbraunen Haares, und für ein paar Augenblicke existierte gar nichts, nur sie beide.

2
    Annie legte die drei Manuskriptseiten neben ihm auf den Nachttisch, und er wartete gespannt darauf, was sie dazu sagen würde. Er war neugierig, aber eigentlich nicht nervös - es hatte ihn tatsächlich selbst überrascht, wie leicht es ihm gefallen war, sich wieder in Miserys Welt zu versetzen. Ihre Welt war kitschig und melodramatisch, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass die Rückkehr dorthin ihm keineswegs so zuwider gewesen war, wie er befürchtet hatte - es war sogar einigermaßen beruhigend gewesen, als würde man ein Paar ausgetretene Hausschuhe anziehen. Daher klappte sein Kiefer herunter, und er war aufrichtig verblüfft, als sie sagte:
    »Das ist nicht richtig.«
    »Es … es gefällt Ihnen nicht?« Er konnte es kaum glauben. Wie konnten ihr die anderen Misery -Romane gefallen haben, und das hier nicht? Es war so Misery -artig, dass es schon fast eine Karikatur war - die matronenhafte Mrs. Ramage schnupfte Tabak in der Speisekammer, Ian und Misery begrapschten sich wie geile Teenager, die gerade vom freitagabendlichen Ball an der Highschool nach Hause kamen, und …

    Jetzt war sie diejenige, die bestürzt aussah.
    » Gefallen? Selbstverständlich gefällt es mir. Es ist wunderschön . Als Ian sie in die Arme nahm, da musste ich weinen. Ich konnte nicht anders.« Ihre Augen waren tatsächlich ein wenig rot. »Und dass Sie Baby Thomas’ Kinderschwester nach mir benannt haben … das war sehr reizend.«
    Er dachte: Und klug - wenigstens hoffe ich das. Und übrigens, Schätzchen, der Name des Babys sollte eigentlich Sean sein, falls es dich interessiert; ich habe ihn geändert, weil ich sonst zu viele von diesen beschissenen N nachtragen müsste.
    »Dann fürchte ich, dass ich nicht verstehe …«
    »Nein, offensichtlich nicht. Ich habe nicht gesagt, dass es mir nicht gefällt , ich sagte, es ist nicht richtig . Es ist Betrug. Sie müssen es ändern.«
    Hatte er sie einmal für das perfekte Publikum gehalten? Oje. Eines muss man dir lassen, Paul - wenn du einen Fehler machst, dann aber richtig. Aus der Dauerleserin war eine gnadenlose Lektorin geworden.
    Ohne dass er es überhaupt bemerkt hätte, nahm Pauls Gesicht unwillkürlich den Ausdruck tiefer und aufrichtiger Konzentration an, den es immer hatte, wenn er einem Lektor zuhörte. Er bezeichnete ihn als seinen »Kann ich Ihnen behilflich sein, Lady?«-Gesichtsausdruck. Das lag daran, dass die meisten Lektoren wie Frauen waren, die an eine Tankstelle fahren und dem Mechaniker sagen, er möge bitte das beseitigen, was unter der Motorhaube klopfte oder klonkklonk unter dem Armaturenbrett machte, und zwar bitte bis gestern. Aufrichtige Konzentration war gut, weil sie ihnen schmeichelte, und wenn Lektoren geschmeichelt waren, gaben sie manchmal einige ihrer albernen Ansichten auf.

    »Inwiefern ist es Betrug?«, fragte er.
    »Nun, Geoffrey ist weggeritten, um den Doktor zu holen«, sagte sie. » Das ist soweit richtig. Das geschah in Kapitel 38 von Miserys Kind . Aber der Doktor kam nicht, wie Sie genau wissen, weil Geoffreys Pferd mit dem Huf an der obersten Latte vom Schlagbaum des elenden Mr. Cranthorpe hängen blieb, als es darüber hinwegspringen wollte - ich hoffe, dass dieser Schmutzfink seine gerechte Strafe in Miserys Rückkehr bekommt, Paul, das hoffe ich wirklich -, und Geoffrey brach sich die Schulter und ein paar Rippen und lag die ganze Nacht dort im Regen, bis der Schäferjunge daherkam und ihn fand. Also konnte der Doktor nicht kommen. Sehen Sie?«
    »Ja.« Plötzlich war es ihm unmöglich, den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden. Er hatte geglaubt, sie würde sich den Lektorenhut aufsetzen, vielleicht sogar den Zylinder der Ko-Autorin, und versuchen, ihm zu sagen, was er schreiben solle und wie er es schreiben solle. Aber das war nicht der Fall. Zum Beispiel Mr. Cranthorpe. Sie hoffte , Mr. Cranthorpe würde seine gerechte Strafe bekommen, aber sie verlangte es nicht. Sie sah den kreativen Verlauf der Geschichte als etwas außerhalb ihres Einflusses an, wenngleich sie ihn ganz offensichtlich in ihrer

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