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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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dessen, was von der Abtei noch übrig war, sprach von ungeheurer Robustheit und Macht. Eine langsame Umwanderung des Gebäudes enthüllte seine beeindruckenden Ausmaße und die fantastische Leidenschaft seiner Erbauer für Details. Jeder Vorsprung, jeder Sims und jeder Fenstersturz war mit alptraumhaften gotischen Statuen verziert, die jede nur vorstellbare Nachtwesenart darstellten: Kobolde, Incubi, Basilisken, Hydren, Riesen, Hippogryphen und Wasserspeier. Die furchterregende Menagerie hatte in den vorangegangenen Jahrhunderten weit weniger Beleidigungen erlitten als die Wälle, an denen sie in großer Zahl vorhanden waren. Jeder von ihnen umgab sich nun geduldig mit einem Mantel aus Schnee, der nicht vermochte, ihr bedrohliches Aussehen zu beeinträchtigen. In den Geschichtsbüchern stand, sie sollten Dämonen abwehren, erinnerte sich Doyle; nicht, sie willkommen heißen. So hatten die Erbauer jedenfalls gehofft. Doch er konnte nicht anders, er mußte regelmäßig einen Blick über seine Schulter werfen, um zu überprüfen, ob ihn nicht der tote Blick irgendeines dieser Ungeheuer verfolgte.
    Sparks führte sie um die Ruine zu ihrem Ausgangspunkt zurück, wo sie den Kreis ihrer Schritte, der sich nun in beide Richtungen erstreckte, im Schnee schlossen. »Sollen wir mal einen Blick hineinwerfen?« fragte Sparks. Niemand antwortete, doch als Sparks durch den offenen Eingang schritt, blieb keiner zurück. Aufgrund der zum Teil intakten Dachbalken hatte sich der Schnee im Inneren nicht ganz so hoch aufgetürmt. Sie legten ihre Schneeschuhe ab und lehnten sie an eine Wand. Sparks führte sie in den nächsten Raum, eine große, gewölbte, rechtekkige Halle mit uniformen Reihen aus zerbrochenen Steinen, die sich über den Boden erstreckten. Eine erhöhte Plattform am anderen Ende verriet die ursprüngliche Funktion der Halle. »Dies war die Kirche«, sagte Sparks. Er näherte sich dem Altar. Larry und Barry verteilten sich mit ihren Laternen, und der Raum wurde gleichmäßiger beleuchtet. Durch das offene Dach fiel pausenlos Schnee zu ihnen hinab. Die Luft war so dicht und schwerfällig wie die Oberfläche eines gefrorenen Sees. »Früher haben sich hier Hexen getroffen«, sagte Larry. »Du meinst wohl Nonnen«, korrigierte Barry ihn. »Hat uns 'n Kumpel in 'ner Kneipe erzählt«, sagte Barry zu Doyle und Eileen - hauptsächlich zu Eileen.
    »Hat er wirklich gesagt. Ganze Klöster, hat er gesagt, sind verrückt geworden und übergelaufen. Zuerst warn sie gegen den Prinzen der Finsternis, und dann am nächsten Tag auf seiner Seite. Deswegen haben die Leute das hier auch angesteckt.«
    »Die Leute aus dem Ort?« fragte Doyle.
    »Ja, die«, sagte Larry. »Haben die Sache in die eigene Hand genommen. Haben getötet und gefoltert und den Nonnen sonstwie den Teufel ausgetrieben. Genau hier drin, das haben wir jedenfalls gehört.«
    »Blödsinn«, sagte Eileen.
    »Is bestimmt alles Quatsch«, stimmte Barry ihr zu. »Der Kerl, derʹs erzählt hat, war auch blau wie ʹn Veilchen.«
    »Ich sagʹ ja nich, daß es das Evangelium der Jungfrau is, ich sagʹ nur, daß erʹs so erz ...«
    »Bringt die Laternen her!« schrie Sparks. Barry und Larry eilten mit den Lampen in den vorderen Teil der Kathedrale. Doyle und Eileen folgten ihnen schnell. Sparks stand vor einer geschlossenen, von Wind und Wetter mitgenommenen Kiste, die in Altarnähe auf einem Erdhügel lag.
    »Was is das denn?« fragte Larry.
    »Es is ʹn Sarg, nich?« sagte Barry.
    Doyle erinnerte sich an Stokers Geschichte von dem alten Seemann und an die nächtliche Fracht, die vom Schiff aus an Land gebracht worden war.
    »Die Nägel, mit denen der Deckel einmal verschlossen war, sind herausgezogen worden«, sagte Sparks und kniete sich mit einer Laterne hin.
    »Hat der Alte nicht gesagt, daß man die Särge hier hinaufgetragen hat?« sagte Doyle.
    »Ja«, sagte Sparks und musterte das Holz.
    »Was also ist in dem verfluchten Ding?« fragte Eileen.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszukriegen, nicht wahr, Miß Temple?« sagte Sparks und griff nach dem Deckel.
    Als seine Hand das Holz berührte, ertönte von draußen ein Heulen, das ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Wolf - doch sein Timbre war tiefer und kehliger als alles, was Doyle zuvor gehört hatte. Sie erstarrten, und das Geräusch verstummte.
    »Das war sehr nahe«, hauchte Doyle.
    »Äußerst nahe«, sagte Sparks.
    Von der anderen Seite der Abtei antwortete ein fast

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