Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
Larry nahm eine Mütze voll Schlaf, und Doyle gesellte sich achtern zu seinem Reisegefährten. Obwohl die Umstände zu ihrem Vorteil waren, erkannte er daran, wie Sparks das Ruder hielt und mit dem Wind umging, daß er ein ausgezeichneter Seemann war. Bald darauf geriet der Fluß hinter ihnen außer Sichtweite, und Steuerbord erstreckte sich nur noch der öde Abschnitt zwischen Sales und Halliwell Point.
    Die rastlose Berührung durch die Wellen und der Salzgeschmack der Luft weckten in Doyle eine ganze Reihe längst vergessener Erinnerungen an seine Zeit auf See. Der Spaß, die sie ihm bereiteten, mußte an seinem Gesicht abzulesen sein, denn Sparks bot ihm zu seiner Freude kurz darauf das Ruder an. Dann ließ er sich bequem auf einem zusammengerollten Tau nieder, zog ein Päckchen Tabak aus dem Stiefel und stopfte sich eine Pfeife. Da die Stille nur durch das mürbe Knarren der Takelage und das Gekreisch der Möwen durchbrochen wurde, ergötzte sich Doyle begierig an den Reichtümern der Meereslandschaft. Zu welchem Ziel sie auch unterwegs sein mochten - hier draußen, in einem angesichts der Größe des Ozeans zwergenhaft kleinen Boot, schien es ihm viel leichter handhabbar. Und zu dieser Erkenntnis war er schon in viel rauheren Gewässern als diesen gelangt.
    Warum die Fluchtnummer nicht zu Ende bringen und zum Kontinent übersetzen, fragte er sich plötzlich. Als ehemaliger Seefahrer wußte er, daß es tausend ferne, exotische Häfen gab, in denen ein Mensch verschwinden und sich verändern konnte - Orte, die seine namen- und gesichtslosen Verfolger niemals finden würden. Als er diese Möglichkeit in Erwägung zog, wurde ihm klar, wie wenig ihn an sein gegenwärtiges Dasein band - Familie, Freunde, ein paar Patienten -, aber keine Frauffkein Kind und keine schwerwiegenden finanziellen Verpflichtungen. Durchtrenne das Band zu deinen Empfindungen und entdecke, wie gefährlich zerbrechlich die Bindungen an die vertraute Welt sein konnten. Wie verlockend die Möglichkeit eines radikalen Bruches doch war. Mehr konnte Doyle nicht tun, um der Versuchung zu widerstehen, das Ruder nach Backbord zu drehen und den Kurs ins Unbekannte einzuschlagen. Vielleicht war dies das wahre Lied der legendären Sirenen, die Verlockung, allen Ballast der Vergangenheit fahrenzulassen und schwerelos und unbelastet durch den finsteren Tunnel der Wiedergeburt zu eilen. Vielleicht war dies trotz alledem die Bestimmung der Seele.
    Doch als er vor der Entscheidung stand, kehrte seine Ur-überzeugung in das von strahlender Verlockung geschaffene Vakuum zurück: Wenn man dem Bösen gegenüberstand -und er wußte genau, daß es ihn verfolgte - und kampflos das Weite suchte, beschwor man das noch Bösere herauf. Das Böse, das aus Versagen und Feigheit bestand. Vielleicht konnte man ein ganzes Leben - oder eine ganze Kette von Leben - verbringen, ohne je einem unzweideutigen Angriff dieser Art zu begegnen, trotz der Zusicherung dessen, was ein Mensch über sich als wahr erachtete. Es war besser, das Leben im Verteidigungskampf seiner Heiligkeit einzubüßen, als den Schwanz einzuziehen und das zu Ende zu leben, was von den zugeteilten Jahren eines geprügelten Hundes übrigblieb. Es war eine wertlose Zufluchtsstätte, die keinen Schutz vor dem Selbstekel bot.
    Also steuerte er ihr Boot nicht nach Osten. So zahlreich und mächtig seine Feinde auch waren, sie mochten ihm die Haut abziehen und seine Knochen sieden, sie würden niemals über ihn triumphieren. Doyle fühlte sich wütend, geistig klar und im Recht. Und wenn sie über irgendeine teuflische Macht geboten, um so besser: Sie waren letztlich Menschen, und Menschenfleisch konnte man zum Bluten bringen.
    »Ich gehe wohl recht in der Annahme, daß Sie den Namen des letzten Verlegers vergessen haben, dem Sie das Manuskript zuschickten, oder?« fragte Sparks, der seinen Blick träge über die Reling schweifen ließ.
    »Könnte jeder Beliebige gewesen sein. Mein Notizbuch ist im Chaos meiner Wohnung leider verlorengegangen.«
    »So ein Pech.«
    »Wie haben sie es gemacht, Jack? Ich kann mir für fast alles, was passiert ist, eine Erklärung zurechtbiegen für die Seance und alles andere -, aber
das
begreife ich ums Verrecken nicht.« Sparks nickte verständnisvoll und biß auf den Stiel seiner Pfeife. »Ihrer Beschreibung zufolge sieht es so aus, als sei die betreffende Gruppierung auf eine Methode gestoßen, mit der man eine Veränderung in der Molekularstruktur fester Gegenstände hervorrufen

Weitere Kostenlose Bücher